Medienresonanz | 31.03.2020

Viele Betriebe nutzen neue Möglichkeiten der Weiterbildungsfinanzierung nicht ausreichend

Seit Anfang 2019 ermöglicht das Qualifizierungschancengesetz das nicht nur Arbeitslose, sondern auch Erwerbstätige von der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden können. Mit einer kleinen Anfrage habe ich die Bundesregierung nach der Umsetzung und der Nutzung dieser Möglichkeit befragt. Über die Antworten berichtete der Tagesspiegel am 30.03.2020 wie folgt:

In Zeiten von Produktionsausfällen durch die Coronakrise denken viele Arbeitgeber über Kurzarbeit nach - und weniger über Weiterbildung ihrer Mitarbeiter. Dabei hat Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor Kurzem ein Gesetz auf den Weg gebracht ("Arbeit-von-morgen"), das beides verbinden soll: Kurzarbeit und Weiterbildung. Die Regelungen sind darauf ausgerichtet, Qualifizierung für Betriebe attraktiver zu machen und gleichzeitig Arbeitnehmer im digitalen Wandel vor Jobverlust zu bewahren. Das Problem: In Zeiten, in denen soziale Distanzierung gefordert ist, macht Weiterbildung nur dann Sinn, wenn Kurse digital und nicht physisch stattfinden.

Mit dem Arbeit-von-morgen-Gesetz knüpft Heil an ein Gesetzesvorhaben an, das Anfang 2019 in Kraft getreten ist das Qualifizierungschancengesetz. Seitdem fördert die Bundesagentur für Arbeit nicht nur Arbeitslose, sondern auch Beschäftigte mit Weiterbildung. Doch bisher hat das Gesetz nur zu einem eher geringen Anstieg solcher Maßnahmen und Kurse geführt. Insgesamt stieg die Zahlder Teilnehmer, die eine berufliche Weiterbildung angefangen haben, um knapp elf Prozent. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrageder Grünen-Bundestagsfraktion hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Danach fingen zwischen Januar und Oktober 2019 etwa 282 100 Personen eine berufliche Weiterbildung an, das waren knapp 30 300 mehr als im Vorjahreszeitraum (251 800 Personen), umgerechnet ein Plus von 10,7 Prozent. Der Anteil der Arbeitnehmer, die gefördert wurden, ist nach wie vor deutlich geringer als der Anteil der Arbeitslosen, auf die etwa dreiviertel der Maßnahmen entfallen. Bei Arbeitnehmern fällt das Plus außerdem niedriger aus: Bei der Beschäftigtenqualifizierung gab es lediglich einen Anstieg um 8,8 Prozent. "Die Zielgruppe der Erwerbstätigen wird noch nicht ausreichend erreicht", kritisiert der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn. Er fordert ein Recht auf Weiterbildung. Auf Förderung angewiesen seien vor allem Menschen, deren Arbeitsplatz substituierbar sei. "Denen möchten wir einen Rechtsanspruch zur Hand geben", sagt Strengmann-Kuhn. Sie sollen außerdem ein Weiterbildungsgeld erhalten, das 200 Euro höher ist als eine Leistung bei Arbeitslosigkeit, sowie einen Freistellungsanspruch für die Zeit der Weiterbildung. Nur in einem kleinen Teilbereich ist auch in der Beschäftigtenförderung ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen - bei denjenigen, die mit dem sogenannten Arbeitsentgeltzuschuss gefördert werden. In diesen Fällen übernimmt die Arbeitsagentur auch einen Teil des Lohns, wenn eine Qualifizierung länger als vier Wochen (beziehungsweise 160 Stunden) dauert und nicht ausschließlich arbeitsplatzbezogen ist. Hier stiegt die Zahl der Bewilligungen in dem Zeitraum auf 22000, ein Plus von etwa 88 Prozent.
Zu den Top 3 der Berufe, für die Arbeitnehmer derzeit im Rahmen der Beschäftigten-Qualifizierung fit gemacht werden, gehören die Altenpflege (9800 Fälle), Fahrzeugführer im Straßenverkehr (5900 Fälle) und der Bereich Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege (1400 Fälle) - alles so genannte Engpassberufe. Das Ziel des Qualifizierungschancengesetzes, Menschen auch in der Digitalisierung weiterzubilden, sei in den Zahlen noch nicht zu erkennen. Grundsätzlich werden Männer häufiger gefördert als Frauen. Besonders stark ist der Anstieg der geförderten Weiterbildung bei Menschen mit akademischer Bildung (15,4 Prozent).

Die Bundesregierung sieht generell einen "hohen Beratungsbedarf" bei der beruflichen Weiterbildung. Strengmann-Kuhn fordert hingegen strukturelle Veränderungen in der Arbeitslosenversicherung: Diese solle zu einer Arbeitsversicherung umgebaut werden, die nicht nur Arbeitslose, sondern auch Erwerbstätige unterstütze. Die Kosten für Weiterbildung sollten dabei in einem Mix aus paritätischen Beiträgen und einem Steuerzuschuss finanziert werden. Einen entsprechenden Antrag hat die Grünen-Bundestagsfraktion erarbeitet.

Der gesamte Artikel "Viele Betriebe nutzen geförderte Weiterbildung nicht" von Cordula Eubel erschien am 30.03.2020 in der gedruckten Fassung von Der Tagesspiegel und ich auch hier im Newsletter Tagesspiegel Background: Digitalisierung & KI zu finden.

Am 1. Januar 2019 ist das Qualifizierungschancengesetz in Kraft getreten. Das Gesetz beabsichtigte eine bessere Weiterbildungsförderung der Bundesagentur für Arbeit. Jetzt soll die Beratung nicht mehr nur Arbeitslosen zur Verfügung stehen, sondern auch mehr Beschäftigten, um sie im digitalen Wandel vor drohendem Jobverlust zu bewahren. Unabhängig von Ausbildung, Alter und Betriebsgröße soll Weiterbildung ermöglicht und damit einfacher zugänglich werden. Es ist notwendig, die Wirkung der bestehenden gesetzlichen Regelungen regelmäßig zu beleuchten. Fragen, wie und ob die bestehenden Maßnahmen und Veränderungen des Qualifizierungschancengesetzes wirken, habe ich in einer kleinen Anfrage zusammengestellt.

Antworten der kleinen Anfrage

Insgesamt ist der Anstieg der geförderten Weiterbildung mit etwas über 10% eher gering. Eine
deutliche Mehrnutzung von geförderter beruflicher Weiterbildung ist durch das Inkrafttreten des
Qualifizierungschancengesetz bisher nicht festzustellen.

Diese und viele weitere Informationen sind der Auswertung zur kleinen Anfrage zu entnehmen. Hier.