Vermögensbesteuerung

von Wolfgang Strengmann-Kuhn, sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen

Armut und Einkommensungleichheit sind in den letzten 15 bis 20 Jahren in Deutschland sehr  stark angestiegen, sehr viel schneller als in den Jahrzehnten davor. In den letzten Jahren hat sich der Anstieg etwas abgeschwächt, aber bei einigen Gruppen ist nach wie vor ein starker Anstieg zu beobachten, nämlich Armut von Arbeitslosen, Armut von Erwerbstätigen und neuerdings auch Altersarmut, die in den nächsten Jahren sehr stark ansteigen wird. Noch ist aber die Kinderarmut, die nach wie vor erschreckend hoch ist, wesentlich größer. Die Ungleichheit der Vermögen ist aber noch wesentlich größer als die der Einkommen. Sie ist ähnlich wie die Einkommensarmut und Einkommensungleichheit von 2002 auf 2007 angestiegen (Frick/ Grabka 2009) und verharrt seitdem auf einem Niveau, das in keinem Land der Eurozone höher als in Deutschland ist (Grabka/Westermeier 2014).

Warum ist diese ungleiche Vermögensverteilung problematisch?

Erstens widerspricht die zu beobachtende Vermögensungleichheit dem Ziel der Chancengleichheit in der Gesellschaft, denn schon die Startchancen sind ungleich verteilt. Für die Chancen in der Gesellschaft ist nicht nur finanzielles Vermögen von Bedeutung, aber auch. Darüber hinaus korreliert das finanzielle Kapital der Eltern mit sozialem Kapital, also Kontakten und sozialen Netzwerken, und kulturellem Kapital, also Bildungs- und Kulturgütern, so dass insgesamt ohne eine stärkere Umverteilung der Vermögen keine Chancengleichheit hergestellt werden kann.

Zweitens geht es um eine gerechte Finanzierung der öffentlichen Ausgaben. Im internationalen Vergleich ist in Deutschland einerseits die Belastung mit Steuern und Sozialabgaben für mittlere und geringe Einkommen sehr hoch.  Andererseits hat Deutschland eine sehr geringe Steuerquote und selbst, wenn die Sozialabgaben dazu gezählt werden, landet Deutschland im Mittelfeld. Die Ursache für diesen scheinbaren Widerspruch ist, dass in Deutschland hohe Einkommen, Vermögenseinkommen sowie Vermögen relativ wenig zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen beitragen. Das liegt erstens an der Finanzierung der Sozialversicherungen, bei denen es keinen Freibetrag wie bei der Steuer gibt, bei denen ab der Beitragsbemessungsgrenze der Beitragssatz zu den Sozialversicherungen mit zunehmendem Einkommen sinkt und Beiträge ausschließlich auf Arbeitseinkommen gezahlt werden. Zweitens ist die Besteuerung von Vermögen und Vermögenseinkommen in Deutschland im internationalen Vergleich auf sehr geringem Niveau. Um die hohe Belastung von mittleren Einkommen mit Steuern und Sozialabgaben zu verringern, ist eine stärkere Belastung von Vermögen und Vermögenseinkommen unerlässlich. Insgesamt ist angesichts der geringen Steuerquote eine Erhöhung der  Einnahmen notwendig. Es ist kein Zufall, dass Deutschland sowohl eine geringe Steuerquote als auch eine im internationalen Vergleich hohe Schuldenquote von über 80% des Bruttoinlandsprodukts aufweist.

Drittens ist die Vermögensungleichheit aus ökonomischen Gründen problematisch. Schulden und Vermögen steigen beide stark an. Auch das ist kein Zufall, denn, wenn Schulden gemacht werden, entsteht auf der anderen Seite immer Vermögen. Der hohe Stand an Schulden, und zwar nicht nur die öffentlichen Schulden, sondern auch die Schulden von Unternehmen, Banken und Privatleuten, waren eine wesentliche Ursache für die Finanzkrise, weil die Gefahr, dass Schulden nicht mehr zurück gezahlt werden, angestiegen ist. Diesen Schulden steht ein finanzielles Vermögen gegenüber, das wiederum extrem ungleich verteilt ist. Sowohl vor der Wirtschaftskrise Ende der 1920er/Anfang der 1930er Jahre als auch vor der Finanzkrise seit 2007/2008 stieg die Vermögenskonzentration stark an. Der Ökonom Thomas Piketty (2014) zeigt darüber hinaus anhand empirischer Daten zur Vermögensverteilung derletzten 200 Jahre, dass die Rendite des Kapitals üblicherweise höher ist als die Wachstumsrate des Einkommens, was ohne Gegenmaßnahmen zwangsläufig zu einer größeren Vermögensungleichheit führt und diese wiederum die ökonomische Stabilität gefährdet.

Viertens geht mit einer hohen Kapitalkonzentration auch eine Konzentration von wirtschaftlicher und politischer Macht einher, die letztlich schädlich für die Demokratie ist. Gerhard Schick (2014) beschreibt in seinem Buch „Machtwirtschaft – Nein Danke“, dass in vielen Wirtschaftsbereichen jeweils wenige Großkonzerne bestimmend sind.

Zur höheren Besteuerung von Vermögen gibt es mehrere Möglichkeiten. Bündnis 90/ Die Grünen schlagen eine einmalige Vermögensabgabe vor (vgl. Deutscher Bundestag 2012). Ziel der Vermögensabgabe ist es Einnahmen von 100 Mrd. € einzunehmen, um damit die Bundesschuld zu verringern. Damit sollte einerseits das oben beschriebene Probleme gleichzeitig zu hoher Schulden wie zu hoher Finanzguthaben reduziert werden, andererseits sollte die durch die Finanzkrise entstandenen Kosten, die auf eine Größenordnung von 100 Mrd. € geschätzt werden, in gerechter Art und Weise gegenfinanziert werden. Die Vermögensabgabe ist eine Sonderabgabe nach Art. 106 Abs.1 Nr.5 Grundgesetz. Das Ziel wird erreicht (vgl. Bach et al 2010), wenn Personen mit einem persönlichen Nettovermögen von mehr als einer Million Euro – das sind gerade einmal ca. 330.000 Menschen in Deutschland – zehn Jahre lang eine Abgabe in Höhe von 1,5% des Vermögens zahlen. Dabei wird das Vermögen zu einem Stichtag in der Vergangenheit bewertet, damit es keine Ausweichmechanismen gibt.

Eine Vermögenssteuer, die in Deutschland bis 1993 erhoben wurde und aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichtes ausgesetzt wurde, unterscheidet sich von der beschriebenen Vermögensabgabe, vor allem darin, dass es eine jährliche Steuer und keine einmalige Abgabe ist und dass die Einnahmen den Bundesländern und nicht dem Bund zu Gute kommt. Eine Vermögenssteuer wird u.a. von der Initiative „Vermögenssteuer jetzt“ (http://www.vermoegenssteuerjetzt.de), der Partei Die Linke gefordert, und im Wahlkampf auch von der SPD. Im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen heißt es: „Unser Ziel bleibt mittelfristig die Wiederbelebung einer verfassungskonformen Vermögensteuer, deren Aufkommen allein den Ländern zusteht. Die Vermögensteuer soll nach Auslaufen der Abgabe erhoben werden. Sie sollte an die Bemessungsgrundlage der Vermögensabgabe anknüpfen, ebenso wie diese eine Substanzbesteuerung von Betriebsvermögen vermeiden und möglichst wenig Verwaltungsaufwand verursachen. Dies werden wir auf allen Ebenen vorantreiben und im Bundesrat und im Bundestag Mehrheiten für eine verfassungskonforme Wiedereinführung der Vermögensteuer suchen und nutzen“ (Bündnis 90/ Die Grünen 2013: 83).

Neben Vermögensteuer und Vermögensabgabe ist vor allem die Erbschaftssteuer von Bedeutung -insbesondere für das Ziel einer besseren Chancengerechtigkeit. Auch die Erbschaftssteuer kommt den Bundesländern zu Gute. Ziel im Wahlprogramm von Bündnis 90/ Die Grünen war es, die Erbschaftssteuer so zu gestalten, dass sich die Einnahmen  auf 8,6 Mrd. € verdoppeln. Nach einem neuen Gutachten des DIW im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen ist zwar die Gesamtsumme der Erbschaften deutlich geringer als bisher gedacht, das Ziel ist aber trotzdem erreichbar. Allerdings müssen dabei entweder die Freibeträge deutlich abgesenkt werden oder die Sätze – bei evtl. erhöhten Freibeträgen – deutlich erhöht werden.

Literatur

Bach, Stefan/ Beznoska, Martin/ Steiner, Viktor (2010): Aufkommens- und Verteilungswirkungen einer Grünen Vermögensabgabe.Forschungsprojekt im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen. DIW Politikberatung kompakt 59. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin.

Bündnis 90/ Die Grünen (2013): Zeit für den Grünen Wandel. Bundestagswahlprogramm.

Deutscher Bundestag (2012): Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen: Entwurf eines Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe. BT-Drucksache 17/10770

Frick, Joachim/ Grabka, Markus M. (2009): Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland. DIW Wochenbericht 4/2009. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin

Grabka, Markus M./ Westermeier, Christian (2014): Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland. DIW Wochenbericht 9/2014. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin

Piketty, Thomas (2014): Capital in the Twenty-First Century. Cambridge/ London: Belknap Press.

Schick, Gerhard (2014): Machtwirtschaft – Nein Danke! Für eine Wirtschaft, die uns allen dient. Frankfurt/M.: Campus Verlag.