Offener Brief an Bundesminister Hubertus Heil: Entsandte Beschäftigte besser schützen!

Seit Mai 2018 ist die neue EU-Entsenderichtlinie in Kraft. Sie könnte zahlreiche Verbesserungen für entsandte Beschäftigte aus dem europäischen Ausland bringen. Es hat lange gedauert, bis Bundesarbeitsminister Hubert Heil endlich einen Referentenentwurf vorgelegt hat, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der Gesetzentwurf bleibt weit hinter den Möglichkeiten zurück und widerspricht sogar dem neuen EU-Recht. Zusammen mit meiner Fraktionskollegin im Bundestag, Beate Müller-Gemmeke und meiner Kollegin Terry Reintke (EU-Parlament) haben wir deshalb heute einen offenen Brief an Hubertus Heil geschrieben und ihn aufgefordert, seinen Gesetzentwurf grundlegend nachzubessern. Hier der offene Brief im Wortlaut (Brief als PDF):

Sehr geehrter Herr Bundesminister Heil,

die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament lehnen den Referentenentwurf zur Umsetzung der EU Richtlinie 2018/957 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG zur Entsendung von Arbeitnehmenden im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen entschieden ab.  Er entspricht in fundamentalen Punkten nicht den Vorgaben der EU-Richtlinie. Der Referentenentwurf kommt dem Anspruch der Richtlinie, die Arbeits- und Entlohnungssituation von entsandten Beschäftigten zu verbessen, grundlegend nicht nach.

Dies betrifft insbesondere folgende Punkte:

- Keine Begrenzung auf Entgeltgruppen 
Die im Referentenentwurf geplante Begrenzung auf die untersten drei Entgeltstufen weisen wir ausdrücklich zurück: Als Konsequenz des Gesetzesentwurfes würden deshalb weiterhin Mindestentgeltsätze unabhängig von sonstigen Entgeltbestandteilen anstatt die gesamte tarifübliche Lohntabelle Anwendung finden. Diese Einschränkung widerspricht der Vorgabe der Richtlinie, die vom Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am selben Ort“ ausgeht. Die vom Europäischen Parlament und des Rates ausgearbeitete Richtlinie legt fest, dass komplette Tarifgitter für entsandte Beschäftigte angewendet werden sollen. Zudem sieht die EU-Richtlinie die geplante Differenzierung nach Entsendedauer zu Entlohnung und anderen Entlohnungsbestandteilen nachdrücklich nicht vor.

- Erweiterte Möglichkeiten zur Anwendung von Tarifverträgen für entsandte Beschäftigte Allgemein wirksame und nicht nur allgemeinverbindliche bundesweit geltende Tarifverträge sollen Anwendung finden: Die Bundesländer sollen im Rahmen der Umsetzung die Möglichkeit zur rechtssicheren Erweiterung ihrer landesrechtlichen Tariftreueregelungen haben. Darüber hinaus muss gewährleistet werden, dass neben allgemeinverbindlichen bundesweiten Tarifverträgen grundsätzlich auch alle allgemeinverbindlichen regionalen Tarifverträge sowie allgemein wirksame Tarifverträge und die Tarifverträge der repräsentativsten Organisationen Anwendung finden. Die Richtlinie stellt zudem klar, dass die „Entlohnung“ alle Entgeltbestandteile umfasst, die im Mitgliedstaat in entsprechenden allgemein verbindlichen oder allgemein wirksamen Tarifverträgen zwingend verbindlich gemacht worden sind.

- Einschränkungen für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit sind nicht hinnehmbar 
Die im Referentenentwurf geplanten Einschränkungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sind weder rechtlich noch politisch vertretbar: Die Kompetenzen und die Kontrollfähigkeit der FSK darf unter keinen Umständen verringert werden, sondern muss erweitert werden. Wie in der Richtlinie vorgegeben, sollen personelle als auch technische Bedingungen ermöglicht werden, um dieses wichtige Kontrollinstrument effizient und effektiv zu erhalten. Bei der Kontrolle zur Unterkunftsunterbringung ist im Gesetzesentwurf zum Beispiel nicht klar, welche Sanktionen die FSK bei Verstößen oder Nichtbeachtung verhängen darf. Hierbei zu unterstreichen sind auch die rechtliche Durchsetzung von Ansprüchen von entsandten Beschäftigten sowie die Etablierung und Stärkung von Beratungsstrukturen.

Wir fordern Sie daher auf, den Gesetzentwurf umfassend nachzubessern und die Vorgaben richtliniengemäß umzusetzen.

Beate Müller-Gemmeke MdB        Wolfgang Strengmann-Kuhn MdB    Terry Reintke MdEP