Der lange Weg zum Grundeinkommen – da entlang …

Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) begeistert seit Jahrzehnten Menschen aus unterschiedlichen politischen Lagern. Die Befürworter sind sich einig, dass ein sinnvoll ausgestaltetes BGE Armut verhindern, Teilhabe ermöglichen und die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht voranbringen kann. Während die akademische Auseinandersetzung zwischenzeitlich etwas leiser geworden ist, wird das Konzept gerade vom Verein „Mein Grundeinkommen“ (www.meingrundeinkommen.de) medienwirksam dem Praxistest unterzogen. Auch in europäischen Nachbarstaaten gibt es eine Wiederbelebung der Debatte zum Grundeinkommen. Unter anderem ist in der Schweiz eine Volksabstimmung in Vorbereitung, und in den Niederlanden sind Experimente zum Grundeinkommen ebenso geplant wie in Finnland.

Seit der Gründung der Partei „Die Grünen“ (1980) gibt es bei uns eine intensive, lebhafte und durchaus emotionale Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Die Idee eines BGE scheint tief in der grünen Programmatik verwurzelt zu sein und ist immer wieder Inspirationsquelle für reformorientierte Vorschläge. Zu den Höhepunkten zählt zweifellos der Bundesparteitag in Nürnberg (2007). Die gesellschaftliche und die innerparteiliche Debatte befruchteten sich damals gegenseitig. Das vom Landesverband Baden-Württemberg vorgeschlagene konkrete Modell wurde bei 42 Prozent Zustimmung nur knapp abgelehnt.

Im letzten Bundestagswahlprogramm haben wir festgehalten, dass wir sowohl innerparteilich als auch im Wechselspiel mit der Gesellschaft die Debatte über das Grundeinkommen weiterführen wollen. Unser Ziel ist, „die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und das individuelle Grundrecht auf Teilhabe zu verwirklichen“. Weiterhin haben wir uns für eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag ausgesprochen, die „Ideen und Modelle eines Grundeinkommens sowie grundlegende Reformperspektiven für den Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme“ diskutieren sollte.

Nun, knapp zwei Jahre nach der Bundestagswahl, sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass die politische Debatte wieder aufgenommen werden sollte. Gründe gibt es dafür, gerade aus Grüner Sicht, genug: Die Diskussionen über Wirtschaftswachstum, Zeitpolitik, Arbeit 4.0, die besorgniserregende Spaltung der Gesellschaft und die Debatte über ein soziales Europa – um nur einige Beispiele zu nennen. Um die Diskussion über das Grundeinkommen zu befördern, ist für das Frühjahr 2016 ein grüner Kongress zum Thema Grundeinkommen im Gespräch, der von verschiedenen Bundesarbeitsgemeinschaften durchgeführt werden soll. Im Rahmen eines öffentlichen Treffens des grünen Netzwerks Grundeinkommen im September haben wir bereits verschiedene Aspekte rund um das Thema diskutiert. Auch innerhalb unserer täglichen politischen Arbeit in der Bundestagsfraktion werden wir nicht müde, Schritte in Richtung eines Grundeinkommens weiterzuentwickeln und dafür zu streiten. Sei es die Kindergrundsicherung, die grüne Bürgerversicherung oder aber die Garantierente, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das Potenzial einer Enquete-Kommission schätzen wir mittlerweile allerdings weit geringer ein als noch vor drei Jahren bei der Aufstellung unseres Wahlprogramms. Im Gegenteil befürchten wir sogar, dass eine Enquete kontraproduktiv sein könnte. Denn weder in der SPD noch in der CDU finden sich derzeit Abgeordnete, die sich offen, engagiert und kraftvoll für ein Grundeinkommen einsetzen. Auch innerhalb der Partei Die Linke ist die Unterstützung für das Grundeinkommen eher schwach und ist mindestens so umstritten wie bei uns. Außerdem waren die Erfahrungen und die Qualität der Diskussionen zum Grundeinkommen in der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität” in der letzten Legislaturperiode extrem enttäuschend. Diese Gemengelage lässt keine gute Prognose für eine produktive und zielführende Auseinandersetzung zu. Doch die wäre unabdingbare Voraussetzung für zukunftsweisende Ergebnisse. Hinzu kommt, dass die übergroße Koalition aus SPD und CDU/CSU allein mit der Benennung von Sachverständigen Argumente für ein Grundeinkommen marginalisieren könnte.

Eine Enquete-Kommission, die lediglich ein Schlag ins Wasser wird, kann nicht erstrebenswert sein. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse droht sogar die Gefahr, dass es eher eine Enquete gegen das Grundeinkommen wird. Wir werden uns deshalb zunächst auf andere Formate konzentrieren, um die Debatte über das Grundeinkommen zu beflügeln. Dafür streiten wir und darüber wollen wir mit euch im Austausch bleiben, in der Gesellschaft und in unserer Partei.

UnterzeichnerInnen:

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Katja Dörner, Beate Müller-Gemmeke, Uwe Kekeritz, Chris Kühn, Monika Lazar, Peter Maiwald, Irene Mihalic, Corinna Rüffer, Sylvia Kotting-Uhl, Lisa Paus, Gerhard Schick, Harald Terpe, Valerie Wilms