Manchmal ist es ganz schön schwierig als Wissenschaftler auf politische Prozesse zu schauen. Im Fall von Griechenland war es im letzten halben Jahr häufig schier zum Verzweifeln. Die notwendigen Lösungsschritte lagen nämlich meines Erachtens klar auf der Hand. Stattdessen wurde durch Verhandlungen ein ganzes Land an den Rand des Ruins getrieben. Ursache dafür war weniger die problematische ökonomische Situation in Griechenland, die ist schon schwierig genug, sondern vielmehr die politische Konstellation sowohl in Griechenland als auch auf der Seite der Kreditgeber, insbesondere in Deutschland, und eine völlig aufgeheizte öffentliche Stimmung, die unter anderem durch eine sehr schräge, häufig einseitige, aber vor allem völlig unsachliche Medienberichterstattung befördert wurde. Das macht es selbst für politisch interessierte Menschen schwierig, durchzublicken und sich eine eigene Meinung zu bilden.
Zunächst ein Blick zurück: Was sind eigentlich die Ursachen der aktuellen Krise in Griechenland? Eine wesentliche Ursache ist die Finanzkrise von 2008, die auch Deutschland erschüttert hat. Deutschland ist dabei vor allem durch ein schuldenfinanziertes Konjunkturprogramm einigermaßen gut durch die Krise gekommen. Die Schulden haben übrigens dazu geführt, dass das Maastricht-Kriterium, das die Gesamtverschuldung 60% des BIP nicht überschreiten darf, von Deutschland massiv verletzt wurde, und erst in etwa 10 Jahren wieder erfüllt sein soll. Trotzdem wurde in Deutschland auf Steuererhöhungen verzichtet, unsinnige Steuererleichterungen eingeführt und unsinnige milliardenschwere Ausgaben getätigt. Das nur am Rande. Anderen Krisenländern wurden hingegen insbesondere auf deutschen Druck massive Austeritätsprogramme auferlegt, die zu steigender Arbeitslosigkeit, sinkenden Wachstumsraten und – entgegen der Zielsetzung, aber aus ökonomischer Sicht nicht überraschend – zu steigenden Schuldenquoten geführt. Einige Länder haben das wenigstens einigermaßen verkraftet und teilweise ist Licht am Ende des Tunnels – auch wenn sich an den grundlegenden Problemen wenig geändert hat, so ist die Gesamtverschuldungsquote (inklusiver privater Verschuldung und Verschuldung von Banken und Unternehmen) in Irland höher als in Griechenland. In Griechenland traf diese Politik allerdings auf eine ökonomische Situation und Strukturen, die dieser, insbesondere von Deutschland voran getriebenen, Politik nicht Stand gehalten haben.
Entgegen der öffentlichen Meinung ist aber in den letzten Jahren in Griechenland viel passiert. Die OECD bescheinigt Griechenland, das Land mit den meisten Reformen zu sein. Ergebnis war unter anderem, dass ein so genannter Primärüberschuss erzielt wurde, das heißt, dass die Einnahmen höher als die Ausgaben waren, wenn man von den Schulden, also Tilgungen und Zinsen absieht. Außerdem wurde erreicht, dass das erhebliche Außenhandelsdefizit, das eine der Ursachen der Verschuldung war, weitgehend reduziert wurde. Nur als Anmerkung: Das Außenhandelsdefizit von Griechenland ist das Gegenstück zu unseren Exportüberschüssen, die rein rechnerisch zwei Seiten der gleichen Medaille sind, weswegen unsere Exportüberschüsse auch eine Ursache der Verschuldungskrise sind.
Diese Erfolge wurden allerdings teuer bezahlt. Die Wirtschaft ist um 25% eingebrochen, was dann nicht nur bedeutet, dass 25% weniger produziert wurde, sondern auch die Einkommen im Durchschnitt um 25% gesunken sind. Jede und jeder kann sich selbst ausmalen, wie sich die persönliche Situation mit einem Viertel weniger Einkommen verändern würde. In Griechenland war das ein Massenphänomen. Menschen mit mittleren Einkommen lebten plötzlich am Existenzminimum, die Armut ist gestiegen, Mieten konnten nicht mehr bezahlt werden, Obdachlosigkeit nahm zu. Hinzu kommt ein löchriges soziales Sicherungssystem. In Griechenland gibt es keine Sozialhilfe, also nicht einmal so etwas wie Hartz IV. Wer länger arbeitslos ist, hat kein Einkommen mehr und auch keine Krankenversicherung. 30% der Griechen sind mittlerweile ohne Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass im Durchschnitt in Griechenland 30% der Kosten bei Gesundheitsleistungen privat zugezahlt werden müssen. Die Folge ist, dass auch viele, die krankenversichert sind, sich die Zuzahlungen nicht mehr leisten können. Die Strukturprobleme des Gesundheitssystems waren nicht neu, aber in den letzten Jahren musste so massiv eingespart werden, dass keine Luft mehr für die eigentlich notwendigen Reformen da war. Die Probleme haben sich dadurch drastisch verschärft.
Vor diesem Hintergrund wären jetzt folgende Schritte notwendig, die vor allem drei Bereiche angeht. Erstens eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik, die auf Investitionen setzt. Der erreichte Primärüberschuss und der Abbau des Handelsdefizits sind dafür eine gute Grundlage. Dafür müssen allerdings mehrere Voraussetzungen erfüllt sein. Investitionen brauchen Zukunftsperspektiven. Dafür muss klar sein, wohin das Land steuert und es muss klare Rahmenbedingungen geben. Deswegen muss es zweitens weitere Strukturreformen geben. Die öffentliche Verwaltung sowohl effizienter als auch effektiver werden, an manchen Stellen muss Bürokratie ab-, an anderen Stellen arbeitsfähige Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden, Korruption muss bekämpft werden und vieles mehr. Drittens ist es notwendig, die soziale Schieflage der bisherigen Krisenpolitik zu beseitigen. Auf der einen Seite muss es mehr soziale Sicherheit geben. Das bedeutet vor allem die Einführung einer sozialen Grundsicherung und die Einführung einer flächendeckenden gesundheitlichen Grundversorgung für alle. Das muss einhergehen mit weiteren Strukturreformen insbesondere des Gesundheitswesens, aber auch des Rentensystems. Auf der anderen Seite müssen die Besserverdienenden und Vermögenden stärker an den Lasten beteiligt werden.
Um wieder ökonomisch und sozialpolitisch handlungsfähig zu werden, braucht Griechenland Luft zum Atmen. Diese Luft wurde ihnen durch die Austeritätspolitik in den letzten Jahren abgeschnitten. Die viel zu hohen Zielvorgaben bezüglich des Primärüberschusses von 4,5% des BIP waren viel zu hoch. Dadurch musste wesentlich mehr eingespart werden als ökonomisch sinnvoll ist. Das war der Kern der Austeritätspolitik. Wir Grünen haben deswegen vorgeschlagen, dass der Primärüberschuss in den nächsten Jahren nicht zur Tilgung von Schulden, sondern für Investitionen im Inland verwendet werden sollen, um aus der Sparfalle herauszukommen. Wie gesagt, Ende 2014 gab es einen Primärüberschuss. Wenn Griechenland in den nächsten Jahren von Zins- und Tilgungszahlungen befreit würde, wäre endlich wieder Spielraum vorhanden. Ein Schuldenschnitt war und ist kurz- bis mittelfristig gar nicht der entscheidende Punkt, da ein großer Teil der Tilgungen ohnehin nach hinten verschoben wurde. In den nächsten Jahren stehen vor allem Zins und Tilgungen für Kredite der EZB und dem IWF an. Deswegen wäre kurzfristig eine Umstrukturierung zum ESM sinnvoll, bei dem die Tilgung auf einen späteren Zeitraum verschoben und die Rückzahlung über einen längeren Zeitraum gestreckt werden könnte. Langfristig kommt Griechenland vermutlich um einen Schuldenschnitt nicht drum herum. Aber erstens ist der Umfang des Schuldenschnitts eine Frage der weiteren ökonomischen Entwicklung, zweitens betrifft die Schuldenproblematik die ganze Europäische Union – auch Deutschland. Deswegen braucht es an dieser Stelle eine Gesamtlösung für die EU, die aber auch mittelfristig angegangen werden kann.
Das Wahlergebnis Anfang des Jahres in Griechenland war und ist aus mehreren Gründen eine große Chance. Der Wahlsieger, das linke Bündnis, Syriza hat – von wenigen Einzelpersonen abgesehen – als neue Gruppierung nichts mit der Politik der letzten Jahrzehnte zu tun, so dass die Hoffnung bestand und besteht, dass so Strukturreformen besser durchgeführt werden können als von den beiden alten konservativen und sozialdemokratischen Parteien, die für die problematischen Strukturen wesentlich mitverantwortlich sind. Darüber hinaus besteht bei einem linken Bündnis die Hoffnung, dass eine Korrektur an der sozialen Schieflage der bisherigen Krisenpolitik vorgenommen wird. Das heißt auf der einen Seite Sozialreformen angegangen werden wie die Einführung einer Grundsicherung, Strukturreformen bei der Gesundheit und Rente und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass die Menschen mit hohen Einkommen sich stärker an den Kosten beteiligen. Last not least war der Regierungswechsel eine Chance, dass in der EU eine grundlegende Debatte über die bisherige Krisenpolitik angestoßen wurde.
Trotz dieser Hoffnungen waren die ersten Monate enttäuschend. Zwar gab es von Anfang an die angesprochene Grundsatzdebatte, die richtigerweise und mit den richtigen Argumenten insbesondere von Yanis Varoufakis vorangetrieben wurde. Gleichzeitig hat die neue griechische Regierung von Anfang deutlich gemacht, dass es vor grundsätzlichen Änderungen eine Brückenfinanzierung braucht und dafür Kompromissbereitschaft signalisiert. Auch das war sehr richtig. Folge war die Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms bis Ende Juni. Das hätte eigentlich die Zeit verschaffen können, bis dahin erste der oben genannten Reformen in Angriff zu nehmen und andererseits zu versuchen, die Krisenpolitik ein Stück zu verändern. Die Enttäuschung fing aber schon direkt mit der Regierungsbildung an. Syriza entschied sich für die rechtspopulistische und nationalistische Partei Anel als Koalitionspartner, obwohl es mit der links-liberalen, europafreundlichen Partei To Potami eine gute Alternative gegeben hatte. Auch die genannten Probleme wurden kaum angegangen. Dazu muss man allerdings wissen, dass Syriza im Wesentlichen aus Politikneulingen besteht und in Griechenland nach einem Regierungswechsel auch ein großer Teil der Administration ausgewechselt wird. Mir sagte jemand, dass es in Griechenland nach einem Regierungswechsel üblicherweise ein Jahr dauert, bis die neue Regierung handlungsfähig ist. Das kann aber nur ein Teil der Erklärung sein, warum so wenige Reformen angegangen wurden. Auch in dem Verhandlungsprozess mit den Kreditgebern sind diverse Fehler passiert. Die Probleme lagen aber nicht nur auf Seiten Griechenlands – im Gegenteil. Auf der anderen Seite hielt sich die Bereitschaft über grundlegende Veränderungen auch nur zu diskutierten– vorsichtig formuliert – sehr in Grenzen, schlimmer noch: es begann eine Diskussion über ein Ausscheiden Griechenlands, den Grexit, der insbesondere von deutscher Seite immer wieder ins Spiel gebracht wurde. Ein solcher Grexit hätte die Einführung einer neuen Währung mit einer extremen Abwertung und einen völligen Zusammenbrechen der griechischen Wirtschaft zu Folge gehabt. Solche Spekulationen und Unsicherheiten würden die stärkste Volkswirtschaft klein kriegen. Entsprechend führte das dazu, dass die griechische Wirtschaft weiter einbrach – wer investiert schon, wenn überhaupt nicht klar ist, wie es weitergeht, eventuell eine schwere Wirtschaftskrise bevorsteht und wenn unklar ist, welche Währung ein Land in der Zukunft haben wird.
Parallel liefen die Verhandlungen mit den jetzt nicht mehr Troika genannten drei Institutionen EU-Kommission, EZB und IWF weiter. Entgegen Äußerungen von beiden Seiten gab es dabei erhebliche Bewegung von beiden Seiten und es gab Ende Juni eigentlich fast eine Einigung, weil die Positionen nicht mehr weit voneinander entfernt waren. Es kam aber leider anders – was vor allem politische Gründe hatte.
Grexit-Befürworter gab es nicht nur auf Seiten der Kreditgeber, vor allem in Deutschland, sondern auch auf griechischer Seite. Während in Deutschland einige Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und Medien die Meinung vertraten: lasst doch die Griechen ihren Kram alleine machen, gab es auf griechischer Seite, bis hinein in die Regierung, ebenfalls Leute, die die Position vertraten, sich gar nicht auf die Verhandlungen mit den Institutionen einzulassen und ebenfalls zu sagen: lasst uns unseren Kram alleine machen. Die Folge war, dass die Verhandlungen auf politischer Ebene von Anfang von einem Gegeneinander geprägt waren. Jede Seite war bestrebt, die Gegner einer Einigung in den eigenen Reihen „mitzunehmen“ und zu zeigen, was man alles gegen „die anderen“ durchgesetzt hat. Das hat die öffentliche Meinung auf beiden Seiten extrem aufgepeitscht, was beinahe zu einem Scheitern geführt. Auf jeden Fall hat das nachhaltigen Schaden hinterlassen, weil die nationalistischen und europafeindlichen Positionen auf allen Seiten gestärkt wurden. Stattdessen wäre es notwendig gewesen, von Anfang an gemeinsam und konstruktiv an die Probleme heran zu gehen und deutlich zu machen, dass wir alle in einem Boot sitzen und eine Lösung im gegenseitigen Interesse liegen würde.
Der Höhepunkt war die Auseinandersetzung Ende Juni, also kurz vor Auslaufen des zweiten Hilfsprogramms. Wie erwähnt gab es auf Arbeitsebene schon fast eine Einigung, was das Reformprogramm in Griechenland anging. Was allerdings fehlte und der griechischen Regierung besonders wichtig war, war ein Programm zur Schuldenumstrukturierung, um finanziell Luft zu bekommen. Insbesondere auf deutscher Seite gab es dagegen erheblichen Widerstand. Trotzdem hätte es zu einer Einigung kommen können. Meines Erachtens ist es dann unter anderem daran gescheitert, dass es im Juni im Bundeskanzleramt ein vorher geheim gehaltenes Treffen mit den drei Institutionen gab. Das Ergebnis war ein so genanntes „Aid Memoire“ und Griechenland wurde nach dem Motto „Vogel friss oder stirb“ aufgefordert, dieses Aid Memoire zu unterschreiben. An dieser Stelle brach dann der griechische Ministerpräsident Tsipras die Verhandlungen kurz vor Schluss ab und führte eine Woche später ein Referendum über das Angebot der Troika durch. Obwohl dieses gar nicht mehr so weit von dem Kompromissangebot der griechischen Regierung entfernt war, warb die griechische Regierung für eine Ablehnung Ich fand das ein hoch riskantes und gefährliches Manöver, weil ich befürchtete das bei einem Nein von Seiten der Kreditgeber heißen würde: „Isch over“ (wie Schäuble sagen würde) und keine Bereitschaft mehr zu Verhandlungen besteht. Die Folge wäre ein nicht geplanter Grexit gewesen, weil dann keine Kredite der EZB mehr möglich gewesen wären. Die Folge wäre die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gewesen. Es hätte eine eigene Währung einführen müssen. Das Ganze hätte nicht nur für Griechenland fatale ökonomische wie soziale Folgen gehabt, sondern auch für uns. Die Kredite an Griechenland hätten zu einem großen Teil abgeschrieben werden müssen, so dass dann unsere Garantien gezogen hätten. Für Griechenland hätte es ein umfangreiches humanitäres Hilfsprogramm geben müssen. Ökonomisch wäre zu befürchten gewesen, dass die ökonomische Krise in Griechenland auch Auswirkungen auf den Rest der EU gehabt hätte. Schließlich wäre ein Grexit Wasser auf die Mühlen der nationalistischen und euroskeptischen Parteien in der ganzen EU gewesen. Die Risse, die jetzt schon zu beobachten sind, wären noch größer geworden. Wie dicht wir an einem solchen Szenario waren, zeigte sich im Nachhinein dadurch, dass es für diesen Fall schon Vorbereitungen und Überlegungen auf beiden Seiten gegeben hatte. Aufgrund dieser Gefahren, aber auch um zu verdeutlichen, dass wir nur gemeinsam und nicht gegeneinander aus der Krise kommen, habe ich im Vorfeld des Referendums einen offenen Brief von mehreren Bundestagsabgeordneten von Grünen und SPD an die griechische Bevölkerung „Ja zu unserem gemeinsamen Europa“ unterschrieben. Darin haben wir deutlich gemacht, dass wir uns ein Ja wünschen, allerdings ohne Drohkulisse, sondern mit der klaren Aussage, dass wir an der Seite Griechenlands stehen, egal wie das Referendum ausgeht.
Wenn es nach Wolfgang Schäuble gegangen wäre, wäre das Nein der Griechen tatsächlich das Ende der Verhandlungen gewesen. Tsipras hat aber meines Erachtens nach dem Referendum genau das richtige gemacht und unmittelbar danach deutlich gemacht, dass er zu weiteren Verhandlungen bereit ist, und zwar auf der Basis der Fast-Einigung Ende Juni und dafür auch die Unterstützung der Oppositionsparteien mit Ausnahme der Faschisten und Kommunisten eingeholt. Auch auf der anderen Seite haben vor allem Jean-Claude Juncker, Frankreich und Italien Druck gemacht, sich darauf einzulassen, um doch noch zu einer Lösung zu kommen. Noch im Juli gab es dann den Beschluss der Eurogruppe, Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket aufzunehmen. Grundlage der Verhandlungen waren der Vorschlag der drei Institutionen, der in der Volksabstimmung abgelehnt wurde, mit einigen wenigen Veränderungen und Ergänzungen durch die griechische Regierung, der Antrag der Griechen auf eine Schuldenumstrukturierung von EZB und IWF zum ESM wie sie auch von uns Grünen gefordert wurde, um die Griechen von Zinsen und Tilgungen zu entlasten sowie 25 Mrd. € für eine Rekapitalisierung von Banken, also eine Eigenkapitalaufstockung mit staatlichen Mitteln, im Prinzip eine vorrübergehende Teilverstaatlichung. Bei der entscheidenden Sitzung der Eurogruppe brachte Wolfgang Schäuble für die deutsche Bundesregierung den Vorschlag eines „Grexit auf Zeit“, der wie Sigmar Gabriel auf Facebook mitteilte, auch der SPD „natürlich bekannt war“ als Drohung sowie den Vorschlag eines Privatisierungsfonds von 50 Mrd. € ein, der zur Schuldentilgung verwendet werden sollte - beides zwei äußerst problematische Vorschläge. Der Grexit auf Zeit wäre letztlich nichts anderes gewesen als ein Grexit und hätte die gleichen Folgen gehabt. Mit dem Privatisierungsfonds sollte der Druck zu Privatisierungen erhöht werden. Eigentlich rentables Staatseigentum muss verkauft oder verpachtet werden, und das angesichts der aktuellen Lage zu für Griechenland relativ schlechten Konditionen. Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung sieht anders aus.
Der Grexit auf Zeit wurde zum Glück abgewendet und beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der Privatisierungsfonds immerhin insofern abgeschwächt als in den Privatisierungsfonds auch die 25 Mrd. zur vorrübergehenden Teilverstaatlichung von Banken und von den übrigen 25 Mrd. nur noch 12,5 Mrd. € zur Schuldentilgung und der Rest für Investitionen verwendet werden sollen. Bei der Sitzung der Staats- und Regierungschefs kam darüber hinaus noch der problematische Passus in die Vereinbarung, dass alle Gesetze bevor sie ins Parlament kommen, der „Troika“ vorgelegt werden sollten. Ein Punkt, den wir Grünen als Einschränkung der parlamentarischen Demokratie aufs Schärfste kritisiert haben.
Wenige Tage später gab es eine Sondersitzung des Bundestages, bei der über ein Verhandlungsmandat des Bundestags für die Verhandlungen abgestimmt wurde. Da wir zwar die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket begrüßt haben, aber nicht zu den Bedingungen, die der Bundesregierung vorschwebten, haben wir einen eigenen grünen Antrag für ein Verhandlungsmandat eingebracht, siehe: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/055/1805595.pdf. So standen zwei Alternativanträge für ein Verhandlungsmandat zur Abstimmung, weswegen wir mehrheitlich dem Antrag der Bundesregierung nicht zugestimmt haben. Unserem Antrag haben auch übrigens 17 Abgeordnete der Linken sowie 1 Abgeordneter der SPD zugestimmt.
In den kommenden Wochen gab es dann die Verhandlungen über das dritte Hilfspaket. Insgesamt hat die griechische Regierung einiges erreicht, zum Teil erst in den letzten Wochen. So wird die zentrale Forderung, nämlich eine Schuldenumstrukturierung mit einer erheblichen Schuldenerleichterung für die nächsten Jahre jetzt umgesetzt. Als Gegenleistung gibt es ein Reformprogramm, das in vielen Teilen eine griechische Handschrift trägt und etliche sinnvolle und notwendige Strukturreformen enthält. Erstmals sind darin auch sinnvolle soziale Maßnahmen wie die Einführung eines garantierten Mindesteinkommens und den Aufbau einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung enthalten, die die bisherige soziale Schieflage der Programme deutlich abmildern. Außerdem wurden die Zielvorgaben für den Primärüberschuss, also der erwarteten Haushaltskonsolidierung, deutlich abgesenkt. Die Austeritätspolitik ist damit nicht beendet, aber deutlich abgeschwächt, auch wenn der Betrag von 3,5% ab 2018 immer noch viel zu hoch ist. Auf der Schattenseite stehen insbesondere der problematische Privatisierungsfonds und die Regelung, dass Gesetzentwürfe mit der „Troika“ abgestimmt werden müssen.
Trotz dieser Nachteile sind die Schuldenerleichterung durch die Schuldenumstrukturierung in Kombination mit den Strukturreformen und den sozialen Maßnahmen eine echte Chance für Griechenland. Dabei braucht es unsere weitere Unterstützung und Solidarität. So ist eine weitere Schuldenerleichterung notwendig, wie sie auch der IWF fordert und es braucht es mehr Anstrengungen auf europäischer Ebene um Investitionen in Griechenland zu fördern.