Anlässlich der heute veröffentlichten Arbeitsmarktzahlen für den Monat Mai erklärt Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Sprecher für Arbeitsmarktpolitik:
Auch wenn die Situation auf dem Arbeitsmarkt aktuell recht positiv aussieht, lohnt es sich dennoch einen näheren Blick in die Statistik zu werfen. Sie gibt Einblicke auf grundlegende Mängel in der Konzeption der Arbeitslosenversicherung und der Absicherung von Arbeitslosen und Erwerbstätigen. Diese müssen beseitigt werden, um dem zukünftigen Wandel gerecht zu werden. Insbesondere die Herausforderungen, die dem Arbeitsmarkt bevorstehen - wie Digitalisierung, ökologischer Wandel, Demografie und Migration - schreien gerade danach, dass wir heute schon an morgen denken und handeln.
Die Arbeitslosenversicherung muss zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickelt werden, die sich nicht nur um Arbeitslose kümmert, sondern auch Leistungen für abhängig Beschäftigte und Selbständige anbietet. Insbesondere brauchen wir ein Recht auf Weiterbildung, das mit einer angemessenen sozialen Absicherung verknüpft werden muss. Nur so können sich die Menschen auch leisten, sich selbstbestimmt in den Zeiten des Wandels für ihren beruflichen Weg zu entscheiden.
Obwohl in Deutschland die Arbeitslosenquote verhältnismäßig niedrig ist, gibt es unter den Arbeitslosen immer noch eine große Kluft. Das Verhältnis zwischen Leistungsbezieherinnen und Leistungsbeziehern von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II ist völlig aus dem Lot geraten. Momentan bekommen nur 46,2 Prozent - nicht mal die Hälfte - der Kurzzeitarbeitslosen das Arbeitslosengeld I, die meisten werden direkt zum Jobcenter durchgereicht, anstatt von der Arbeitsagentur ihre Leistungen zu erhalten. Deswegen müssen die Zugänge zum Arbeitslosengeld I dringend erleichtert werden, um den direkten Absturz in Hartz IV zu verhindern.
Die Zahl der Arbeitslosen sinkt, aber die Armut verbleibt auf Rekordniveau. Allein 1,049 Millionen Erwerbstätige sind auf Arbeitslosengeld II angewiesen, die Mehrheit davon ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die Dunkelziffer der Menschen, die einen Anspruch haben, aber keine Leistungen beantragen, ist gerade bei Erwerbstätigen besonders hoch. Notwendig ist eine Garantiesicherung, die eine Mindestsicherung für alle Lebenslagen garantiert, um den Menschen mehr Sicherheit in Zeiten des Wandels zu geben. Wir brauchen heute das richtige Rüstzeug für morgen.