Deutscher Bundestag
Rede vom 22.04.2020 zum Antrag "Kurzarbeitergeld Plus" Drucksachen Nr. 19/18704
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten beiden Sitzungswochen Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld gemeinsam beschlossen. Wir haben ein Sozialschutzpaket gemeinsam beschlossen. Das waren gute und wichtige Schritte, um schnell helfen zu können.
Wir sind jetzt in einer Situation, wo wir aber auch nachbessern müssen. Das liegt ein Stück weit in der Natur der Sache, weil es damals schnell gehen musste. Wir Grünen stellen in dieser Woche diverse Anträge zu verschiedenen Tagesordnungspunkten, wo wir Nachbesserungen fordern. Es gibt einen grünen Faden in den Anträgen: Es geht nämlich bei vielen Anträgen um die Sicherung des Existenzminimums oder eines Miniums. Da haben die bisherigen Pakete noch Lücken, und diese Lücken müssen dringend gefüllt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Was uns dabei wichtig ist, ist, dass wir die Grundsicherung zumindest befristet erhöhen, dass wir sagen: Kinder sollen einen um 60 Euro höheren Regelsatz und Erwachsene einen um 100 Euro höheren Regelsatz bekommen; denn in dieser Zeit haben sie besonders starke Probleme. Deswegen brauchen wir jetzt eine Anhebung der Grundsicherung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Gleichzeitig wollen wir durch einzelne Maßnahmen dafür sorgen, dass bestimmte Gruppen eben nicht in die Grundsicherung rutschen; im Hinblick auf die Selbstständigen kann ich dem Kollegen Johannes Vogel nur zustimmen. Wir haben dazu gleich zwei Anträge vorgelegt: einen zu Künstlerinnen und Künstlern - wir werden ihn gleich noch beraten -, der andere betrifft die Selbstständigen - wir beraten ihn morgen - und enthält die gleiche Forderung, nämlich, die Hilfspakete bei den Selbstständigen entsprechend zu verbessern, dass auch der Lebensunterhalt gedeckt werden kann, damit die Selbstständigen nicht auf Leistungen vom Jobcenter angewiesen sind. Auch das ist ein wichtiger Punkt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In dem vorherigen Tagesordnungspunkt haben wir über Eltern geredet. Der dritte große Baustein ist die Kurzarbeit, von der Millionen Menschen betroffen sein werden, wahrscheinlich heute schon sind; genaue Zahlen haben wir noch nicht. Wir müssen auch da nachbessern. Lieber Matthias Zimmer, die ordnungspolitischen Maßnahmen sind in normalen Zeiten durchaus richtig. Wir befinden uns aber nicht in normalen Zeiten; deswegen brauchen wir hier auch ungewöhnliche Lösungen.
Normalerweise reicht das Kurzarbeitergeld, da die Betroffenen ihre Arbeitszeit in der Regel nicht auf null, sondern nur teilweise reduzieren; dann reichen 60 oder 67 Prozent in den meisten Fällen aus. Das ist jetzt aber nicht so; vielmehr werden viele auf Kurzarbeit null gehen, die Arbeitszeit auf null reduzieren. Es ist wichtig, dass das Existenzminimum gedeckt wird, damit die Menschen nicht wegen Kurzarbeit auf Grundsicherung angewiesen sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ralph Lenkert (DIE LINKE))
Eine Anhebung auf 80 Prozent - das ist wichtig - reicht bei geringen Einkommen nicht aus; da wir müssen auf mindestens 90 Prozent erhöhen.
Nun könnte man, wie das die Linken machen, sagen: Dann erhöhen wir doch für alle auf 90 Prozent. - Diese Lösung überzeugt uns aus zwei Gründen nicht. Erstens nimmt das tatsächlich die Arbeitgeber ein Stück weit aus der Verantwortung; denn sie sind aufgefordert, das Kurzarbeitergeld auf 80, 90 oder am besten auf 100 Prozent - die, die es können - aufzustocken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Wir müssen auch die Finanzen im Blick behalten. Wir wissen nicht, wie lange die Krise dauert und welche Maßnahmen aus der Arbeitslosenversicherung noch notwendig sind.
Deswegen schlagen wir Grüne eine zielgenaue Lösung vor. Dazu muss man wissen, dass schon bei einem mittleren Einkommen bei Kurzarbeit null das Kurzarbeitergeld gerade so über dem Grundsicherungsniveau liegt. Das heißt, selbst Menschen mit mittlerem Einkommen brauchen Unterstützung, aber nicht 90 Prozent, sondern da reicht etwas mehr als nach dem heutigen Stand. Aber die unteren Einkommen brauchen starke Unterstützung, eine Aufstockung bis zu 90 Prozent.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen ist der Vorschlag, den wir Grüne machen, zielgenau, finanziell die Augen öffnend, nachhaltig und gerecht. Die Bundesregierung sollte noch einmal überlegen, ob die Möglichkeit besteht, in diese Richtung zu gehen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)