42. Sitzung des Deutschen Bundestages in der 19. Wahlperiode
Donnerstag, den 28.06.2019
Tagesordnungspunkt: "Kindergeld für im Ausland lebende Kinder indexieren – Anpassung des Kindergeldes für nicht in Deutschland lebende Kinder von EU-Bürgern an die Lebenshaltungskosten am Wohnort des Kindes" Drucksache 19/2999
Rede aus dem Protokoll:
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN):
Guten Abend, Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie von der AfD wollen wieder mal spalten. Sie schüren Hass und Zwietracht und arbeiten dabei mit ausländerfeindlichen Vorurteilen. Jetzt nehmen Sie sogar auch noch die Kinder ins Visier. Das ist widerlich und nicht hinnehmbar.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Statt Spaltung brauchen wir sozialen Zusammenhalt. Ihre ewige Unterstellung, dass EU-Bürgerinnen und EU-Bürger nur nach Deutschland kommen wollen, um Sozialleistungen zu beziehen, ist schlicht falsch. Die Menschen kommen hierher, weil sie arbeiten wollen, (Lachen des Abg. Tino Chrupalla [AfD]) und das ist ihr gutes Recht; denn in der EU herrscht Freizügigkeit, und von der Freizügigkeit in der EU proftieren wir alle, sogar Sie von der AfD.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei denen, die Kindergeld beziehen, geht es übrigens überwiegend um Menschen, die hier arbeiten, hier Steuern zahlen und hier zum Wohlstand beitragen. Deswegen haben sie ein Recht auf das Kindergeld, und das ist auch gut so. Letztlich geht es Ihnen von der AfD eigentlich nur darum, die Freizügigkeit zu begrenzen. Wir wollen das nicht. Wir wollen, dass sich alle EU-Bürgerinnen und -Bürger in der EU frei bewegen können – ohne Grenzkontrollen und sozial abgesichert.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zum Zusammenhalt in der EU gehört das Gleichbehandlungsgebot: Überall in der EU werden alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger gleich behandelt. Das ist ein wichtiger Grundsatz der Europäischen Union. Es gibt keine EU-Bürgerinnen erster und zweiter Klasse. Das Gleichbehandlungsgebot bedeutet dann auch, dass Eltern, die in Deutschland leben, das gleiche Kindergeld bekommen, egal, ob die Kinder in München, in Brandenburg oder in Luxemburg leben. Das Argument, dass die Lebenshaltungskosten von im Ausland lebenden Kindern eventuell geringer sind, greift übrigens zu kurz; der Kollege Cezanne hat das eben schon angedeutet. Oder fnden Sie nicht, dass sich Kinder und Eltern vielleicht auch regelmäßig sehen sollten? Wenn man zum Beispiel die Fahrtkosten mit einrechnet, dann sind die geringeren Lebenshaltungskosten schon längst wieder ausgeglichen. Man kann sich nämlich nicht nach Rumänien oder nach Polen beamen, sondern man muss dorthin fahren. (Jörn König [AfD]: Ja, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit!) Das kostet Geld. Deswegen ist es durchaus akzeptabel, dass sie das gleiche Kindergeld bekommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was heute auch schon gesagt worden ist: Das betrift natürlich auch Deutsche. Sie bilden die zweitgrößte Gruppe derjenigen, die Kindergeld für Kinder im Ausland bekommen. Wollen Sie das Kindergeld von Deutschen kürzen? (René Springer [AfD]: Ja! Das ist auch richtig so! Genau das wollen wir! Das steht auch im Antrag! – Jörn König [AfD]: Genau das wollen wir!) – Okay, Sie sagen, Sie wollen das Kindergeld von Deutschen kürzen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Die AfD will Familienleistungen für Deutsche kürzen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man sich mal vorstellen! Unglaublich! – Jörn König [AfD]: Für deutsche Kinder, die im Ausland leben! Das müssen sogar Sie verstehen!) Sehr gut, prima – das ist ja mal eine Aussage.
Eigentlich geht es Ihnen ja nur darum, dass Menschen aus bestimmten Ländern weniger Kindergeld bekommen. Die Argumentation mit den Rumänen war ja deutlich: Das zielt doch auf eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe ab, die davon besonders betroffen wäre, eine Minderheit, die früher schon mal von Diskriminierung betroffen war. (Jörn König [AfD]: Das ist eine Unterstellung!) Es geht Ihnen um blanken Antiziganismus, um das mal deutlich zu sagen. (Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das haben Sie jetzt gesagt!) Wir wollen das nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie wollen vielleicht in diese Vergangenheit zurück. Wir wollen nicht in diese Vergangenheit zurück – nie wieder!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Man muss es ganz deutlich sagen: Sie spielen mit diesen Ressentiments. In Bezug auf die Kindergeldindexierung muss man aber auch sagen: Alle, die dem Vorschlag folgen, sind völlig auf dem Irrweg, wie die CSU zum Beispiel. Aber auch die Bundesregierung darf man da nicht aus dem Blick nehmen. Die Bundesregierung – da muss ich Sie korrigieren, Herr Kollege von der FDP – ist da im Moment auf EU-Ebene aktiv: (Markus Herbrand [FDP]: Wieder!) Sozialminister Hubertus Heil – wir hatten gerade den Bericht der Staatssekretärin, die eben noch da war, im Ausschuss – versucht, die Kindergeldindexierung auf EU-Ebene zu implementieren. Aber Deutschland hat da keine Mehrheit. Das nennt man dann Demokratie: Die Bundesregierung setzt sich da nicht durch, weil die anderen Mitgliedstaaten in der Mehrheit sagen: „Wir bleiben bei dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wir bleiben bei der Freizügigkeit, das ist uns wichtig“ – im Gegensatz zu Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Wolfgang Kubicki: Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN):
Wir brauchen mehr Zusammenhalt in der EU, wir brauchen mehr Europa. (Kay Gottschalk [AfD]: Wie bei der Flüchtlingsverteilung!) Dafür sollten wir uns einsetzen – gegen Nationalismus und gegen die Spalter von der AfD. Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)