Rede | 28.04.2016

Aktuelle Stunde zur Altersarmut

Deutscher Bundestag, 28.04.2016
Protokoll der Rede zur Aktuellen Stunde: Altersarmut

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Daniela Kolbe, zur Ost-West-Rentenangleichung gibt es einen exzellenten grünen Vorschlag, mit dem man die Vereinheitlichung tatsächlich sofort hinbekommen könnte. Den könnten Sie einfach übernehmen. Dann bräuchte man nicht bis 2019 zu warten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Daniela Kolbe (SPD): Der ist nicht gerecht! Den sollte man sich genauer ansehen! - Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Bloß nicht!)

Zum Thema Rentenniveau und Altersarmut, worum es in dieser Aktuellen Stunde ja gehen soll: Ich darf noch einmal daran erinnern, dass es in dieser Legislaturperiode schon einmal eine große Rentenreform von SPD, CDU und CSU gegeben hat.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war teuer!)

Sie haben es tatsächlich hingekriegt, 10 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für die Rente auszugeben, ohne damit irgendetwas gegen die Altersarmut zu tun.

(Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Stimmt nicht! - Dr. Martin Rosemann (SPD): Erwerbsminderungsrente! - Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das muss man erst einmal schaffen!)

Die Rentenversicherungsbeiträge werden stärker steigen, und das Rentenniveau, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wird durch Ihre Rentenreform stärker sinken. Jetzt kommt Sigmar Gabriel und sagt, wir brauchen nun einen Rentenwahlkampf mit den Themen „Altersarmut“ und „Stabilisierung des Rentenniveaus“.

(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hört! Hört!)

Das hätte die Regierung machen können. Deshalb ist das völlig unglaubwürdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er sagt auch nicht, wie das gehen soll. Die Linke ist hier ja wenigstens ehrlich und sagt: Wir wollen die Beiträge dafür anheben. - Das wäre nicht unsere Lösung, weil eine Beitragsanhebung Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen natürlich deutlich stärker belastet als Menschen mit hohem Einkommen.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): 35 Euro pro Monat! Das ist viel weniger als bei Riester!)

Deswegen ist unsere Lösung an dieser Stelle die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Bürgerversicherung. Dadurch würden wir es tatsächlich hinbekommen, dass die Beitragssätze einigermaßen stabil bleiben, während das Rentenniveau gleichzeitig stabilisiert wird. Der erste wichtige Punkt ist also die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zur Bürgerversicherung.

Der zweite wichtige Punkt an dieser Stelle ist ein Mindestniveau in der Rentenversicherung. Die meisten anderen Länder in der Europäischen Union und sogar im gesamten OECD-Raum haben es, Deutschland nicht. Deswegen ist Altersarmut hier schon immer durchaus ein Problem gewesen, insbesondere bei Frauen. Während wir im internationalen Vergleich insgesamt nicht schlecht dastehen, gilt das in Bezug auf die Frauen nicht. Dort stehen wir besonders schlecht da. Unter anderem deswegen, aber auch für die Akzeptanz der Rentenversicherung brauchen wir hier ein Mindestniveau.

Wir sagen: Wer den größten Teil seines Lebens Rentenversicherungsbeiträge gezahlt hat, der soll am Ende des Lebens auch eine Rente bekommen, die über dem Grundsicherungsniveau liegt. Das würde zur Akzeptanz der Rentenversicherung führen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit unterscheidet sich unser Konzept, die Grüne Garantierente, von der sogenannten Lebensleistungsrente und auch von der Mindestrente der Linken.

Apropos Lebensleistungsrente: Das Copyright auf diese Idee besitzt eigentlich Frau von der Leyen. Das ist also eigentlich kein SPD-Konzept. Sigmar Gabriel sagt jetzt auf einmal aber, dass wir sie unbedingt einführen müssen.

Heute Abend diskutieren wir noch über das Nationale Reformprogramm 2016, wofür das Bundeswirtschaftsministerium zuständig ist. In dem Länderbericht der Europäischen Kommission zu Deutschland wurde angemahnt, dass die Lebensleistungsrente endlich umgesetzt wird, und das Nationale Reformprogramm ist eine Reaktion darauf. Wenn man sich die Liste der Maßnahmen dort anguckt, dann sieht man, dass die Lebensleistungsrente dort nicht auftaucht. Vielleicht sollte der SPD-Vorsitzende einmal ein Zweiergespräch mit dem Wirtschaftsminister führen und sich mit ihm einigen, ob die Lebensleistungsrente wichtig ist oder nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen also, wir brauchen diese zwei Bausteine: die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zur Bürgerversicherung und ein Mindestniveau in Form einer Garantierente.

Die Rente innerhalb des Rentensystems sollte eben nicht bedürftigkeitsgeprüft, wie die Grundsicherung im Alter oder die Lebensleistungsrente, und auch nicht einkommens- und vermögensgeprüft sein, wie das bei den Vorschlägen der Linken der Fall ist und was auch nur eine verkappte Grundsicherung darstellt, wenn auch auf etwas höherem Niveau.

(Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): 1 050 Euro und nicht bedürftigkeitsgeprüft!)

Deswegen ist die einzige Lösung gegen Altersarmut und zur Stabilisierung der gesetzlichen Rente tatsächlich die grüne Garantierente.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen also eine grüne Bürgerrente mit Bürgerversicherung und Garantierente, die armutsfest, nachhaltig finanziert und gerecht ist.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Über die Debatte

Im Deutschlandfunk wurde am 29.04.2016 über die Bundestagsdebatte zur Altersarmut berichtet. Der Beitrag ist unter diesem Link zu finden.