Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (5. SGB IV-ÄndG) Drucksache 18/3699
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir Grünen sind für Bürokratieabbau und für vereinfachte Regelungen. Der Gesetzentwurf bringt in der Tat eine ganz Reihe von kleineren Schritten, die Bürokratieabbau ermöglichen: Vereinfachungen, Software an vernünftigen Stellen einsetzen; insofern sind das viele Schritte in die richtige Richtung.
Aber es gibt natürlich – da schließe ich mich dem Kollegen Birkwald an – auch ein paar Fragen: Was ist mit den kleinen und mittleren Unternehmen? Was ist mit dem täglichen Datenabgleich? Das könnte die schon überfordern; das müsste man noch einmal prüfen. Auch die Frage des Datenschutzes muss natürlich noch einmal intensiver betrachtet werden. Wir finden es grundsätzlich richtig, in diese Richtung zu gehen; aber das sind natürlich kleine Schritte.
Wenn man eine wirkliche Vereinfachung im sozialen Sicherungssystem haben wollte, müsste man noch an ganz andere Bereich gehen: Im Transfersystem, Grundsicherungssystem wäre da noch viel mehr zu machen. Wir warten da sehnsüchtig auf den Gesetzentwurf zur sogenannten Rechtsvereinfachung, auch wenn wir wissen, dass auch da nicht der große Wurf kommen wird. Aber das wäre eigentlich die spannendere Debatte: Was kann man im Grundsicherungssystem verändern? Noch spannender und umfangreicher wäre die Debatte über die Frage: Was ist eigentlich mit den Familienleistungen? – Aber das wäre dann eine ganz andere Baustelle.
Bei den Sozialversicherungen – das muss man vielleicht noch einmal betonen, auch gegenüber der Öffentlichkeit – ist, was die Effizienz angeht, gar nicht so wahnsinnig viel zu vereinfachen oder zu verbessern, weil die Sozialversicherungen im Gegensatz zu privaten Versicherungen ohnehin schon sehr geringe Verwaltungskosten haben – für uns Grüne ein Grund, bei der kapitalgedeckten Alterssicherung auch über ein öffentlich organisiertes Basisprodukt für die Riester-Rente nachzudenken. Die Verwaltungskosten wären geringer; aber auch sonst fänden wir das eine sinnvolle Idee.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber nun zu dem Gesetzentwurf. Auch da, finden wir, hätte man an manchen Stellen durchaus noch ein bisschen weitergehen können. Die Waisenrente ist schon angesprochen worden. Wir finden es richtig, dass die Einkommensanrechnung wegfallen soll. Der Aufwand ist tatsächlich viel größer ist als der Ertrag, und für die Betroffenen ist das eine deutliche Verbesserung. Man könnte aber noch einen Schritt weitergehen und fragen: Warum ist die Höhe der Waisenrente eigentlich vom Einkommen der Eltern abhängig? Wenn man sagen würde: „Die Waisenrente ist für alle gleich“, wäre das auch noch mal eine Vereinfachung, und gerechter wäre es eigentlich auch, wenn die Leistung einkommensunabhängig wäre.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Nationale Normenkontrollrat geht in seiner Stellungnahme zum vorliegenden Gesetzentwurf auch auf die Unfallversicherung ein. Dort steht:
Der Normenkontrollrat bedauert, dass an den papiergebundenen Lohnnachweisen … über das Jahr 2015 hinaus festgehalten werden soll.
Es ist natürlich schade, dass das an dieser Stelle nicht elektronisch geht. Der Grund dafür steht allerdings auch in der Stellungnahme. Es gibt nämlich Differenzen zwischen den Lohnnachweisen und den aggregierten Lohnsummen.
An dieser Stelle könnte man vielleicht auch einmal über den Vorschlag nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Arbeitgeberbeiträge grundsätzlich einfach auf der Basis der Lohnsumme zu berechnen, anstatt jeden einzelnen Fall einzeln abzurechnen. Das würde kleine und mittlere Unternehmen sehr von der Bürokratie entlasten.
Ein großer Wurf wäre es, wenn man bei der Pflege-, der Kranken- und der Rentenversicherung endlich einmal die Bürgerversicherung angehen würde und diesbezüglich nicht nur zu einer Harmonisierung innerhalb der Sozialversicherungen, sondern auch mit dem Steuersystem kommen würde; denn wenn das komplette Einkommen die Basis ist, dann muss man das logischerweise mit dem Steuersystem vereinheitlichen. Die Beitragserhebung könnte dann über das Finanzamt geregelt werden.
Solche großen Schritte gehen Sie nicht. Wie gesagt: Es sind viele kleine Schritte, die wir durchaus positiv sehen, aber der große Wurf ist das leider noch nicht.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))