Stellungnahme | 09.12.2014

Soziale Teilhabe für behinderte Menschen gerecht finanzieren!

Grüne aus Bund und Ländern legen gemeinsame Eckpunkte fest

Die Bundesregierung möchte die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen modernisieren und ein modernes Recht der Sozialen Teilhabe schaffen – die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention droht ein Jahr nach Beschluss des Koalitionsvertrages zwischen verschiedenen Interessen zerrieben zu werden.

Grüne aus Bund und Ländern haben in der vergangenen Woche ihre gemeinsame Linie festgelegt:

  1. Der Bund muss anteilig die Finanzierung der Teilhabeleistungen übernehmen – systematisch und dauerhaft.
  2. Das bisherige Leistungsrecht der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen muss in ein modernes Leistungsrecht der Sozialen Teilhabe überführt werden. Dazu gehören auch Leistungen, die bisher in der Eingliederungshilfe nicht gesetzlich geregelt sind, aber durch Rechtsprechung entwickelt wurden.
  3. Der Zusammenhang zwischen der Reform des bisherigen Leistungsrechts der Eingliederungshilfe und der finanziellen Entlastung der Kommunen durch den Bund muss aufrechterhalten werden. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble und Hamburg Erster Bürgermeister Olaf Scholz haben vorgeschlagen, über die Übernahme der Kosten der Unterkunft durch den Bund die kommunale Ebene um 5 Milliarden Euro zu entlasten, ohne dass die Eingliederungshilfe reformiert wird. Das ist weder nachhaltig noch zielführend. Ein differenziertes Bundesteilhabegeld bietet die Möglichkeit, sowohl die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken, als auch die Länder, Kommunen und Sozialversicherungsträger finanziell zu entlasten. Bündnis 90/Die Grünen werden sich für seine Einführung stark machen.
  4. Darüber hinaus ist aus unserer Sicht gegenwärtig der Sozialhilfeträger am besten geeignet, für die Leistungen zur Eingliederung behinderter Menschen federführender Leistungsträger zu sein, sofern er sich als Handelnder im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention versteht.  So wäre beispielsweise eine Übertragung der Zuständigkeit für Beschäftigte der Werkstatt für behinderte Menschen auf die Bundesagentur für Arbeit oder die Jobcenter nicht zielführend, da sie schon jetzt behinderte Erwerbslose nur unzureichend fördern.
  5. Leistungen der Sozialen Teilhabe dienen dem Ausgleich von Benachteiligungen, die behinderte Menschen wegen ihrer Beeinträchtigung haben. Sie müssen daher ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen geleistet werden. Bündnis 90/Die Grünen werden darauf drängen, dass Assistenzleistungen auch dann anrechnungsfrei finanziert werden, wenn sie leistungsrechtlich nicht der Eingliederungshilfe, sondern der Hilfe zur Pflege zugeordnet werden. Eine unterschiedliche leistungsrechtliche Zuordnung darf nicht dazu führen, dass gleiche Leistungen mal vollständig, mal anteilig finanziert werden.
  6. Ziel bei der Umsetzung der UN-BRK  muss die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse für Menschen mit Behinderung in Deutschland sein. Dabei kommt der Entwicklung inklusiver Sozialräume und -quartiere eine besondere  Bedeutung zu. Die Ermittlung des individuellen  Bedarfs muss unter Beteiligung der Leistungsberechtigten erfolgen und sollte bundeseinheitlich gestaltet werden. Teilhabeleistungen sind Menschenrecht. Die Bundesregierung hat mehrfach angekündigt, die Soziale Teilhabe für Menschen mit Behinderungen aus dem System der Fürsorge zu lösen. Ihre Finanzierung ist Aufgabe eines inklusiven Sozialstaates.

Unterzeichnende:

Corinna Rüffer (behindertenpolitische Sprecherin, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen), Horst Frehe (Staatsrat bei der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen in Bremen), Martina Hoffmann-Badache (Staatssekretärin im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in NRW), Dr. Andreas Jürgens (Erster Beigeordneter des LVW Hessen), Lorenz Bahr-Hedemann (Dezernent für Jugend beim Landschaftsverband Rheinland), Markus Kurth (rentenpolitischer Sprecher, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (sozialpolitischer Sprecher, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen), Manuela Grochowiak-Schmieding (Sprecherin für Sozialpolitik, Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen NRW), Daniel Köbler (Fraktionsvorsitzender Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz), Dr. Fred Konrad (Sprecher für Pflege, Inklusion, Leben im Alter, Kirchpolitik, Soziales und Demographie Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Rheinland-Pfalz), Thomas Poreski (sozialpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg), Dr. Marret Bohn (parlamentarische Geschäftsführerin, sozial- und gesundheitspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Schleswig-Holstein), Jasenka Villbrandt (sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin), Heinrich Sydow (Referent für Soziales, Gesundheit, Städtebau der Landtagsfraktion Niedersachsen), Harald Wölter (Sprecher Bundesarbeitsgemeinschaft Soziales, Arbeit, Gesundheit Bündnis 90/Die Grünen), Martina Müller(Fraktionssprecherin Bündnis 90/Die Grünen in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe), Ulrike Bürgel (Sprecherin Bundesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik Bündnis 90/Die Grünen), Michael Gerr (Sprecher Bundesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik Bündnis 90/Die Grünen), Max Bleif (Sprecher Landesarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik Baden-Württemberg Bündnis 90/Die Grünen)