Antrag | 02.06.2017

Teilhabe statt Armut – Alle Menschen am Wohlstand beteiligen

Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt, dass die ökomische Situation in Deutschland gut ist und es den Menschen in Deutschland im Durchschnitt gut geht. Er zeigt aber auch, dass der Wohlstand nicht bei allen ankommt. Ungleichheit und Armut bewegen sich in Deutschland trotz der guten Rahmenbedingungen und sinkender Arbeitslosigkeit seit gut zehn Jahren auf Rekordniveau. Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist die höchste in der Eurozone.

Laut Armuts- und Reichtumsbericht, besitzen die reichsten 10% nach wie vor mehr als 50% des Vermögens, während die ärmere Hälfte fast kein Vermögen besitzt. Die Altersarmut in Deutschland steigt ebenso an wie das Armutsrisiko trotz Erwerbstätigkeit. Und obwohl die Arbeitslosigkeit sinkt, hat sich Langzeitarbeitslosigkeit verfestigt und geht nur sehr langsam zurück. Kinderarmut hat ein erschreckend hohes Niveau, das Armutsrisiko von Kindern ist zuletzt auf der Basis des SOEP sogar über 20% gestiegen (ARB, S. 553). Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist danach also von Armut betroffen. Und weil der Bildungserfolg in Deutschland noch immer stark vom Elternhaus abhängt, ist der Ausbau und die Verbesserung der frühkindlichen Bildung und Betreuung der Schlüssel für gleich und bessere Zukunftschancen für alle Kinder und damit das Fundament für eine Zukunft ohne Armut. Zudem ermöglicht es eine bessere Vereinbarung von Familie und Erwerbstätigkeit für Eltern.

Ferner brechen in Regionen, in denen viele Kinder von Armut bedroht sind, laut dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) deutlich mehr Jugendliche die Schule ab als in wohlhabenderen Stadt- und Landkreisen. Armut wirkt sich in Deutschland nach wie vor negativ auf den Gesundheitszustand und die Lebenserwartung aus (ARB, S. 411ff.). Die Lebenserwartung von Männern mit hoher Bildung und gutem Einkommen ist bis zu 15 Jahre höher als bei Männern mit geringer Bildung und geringerem Einkommen (SZ 9.05.2017). Bildungs-und Gesundheitssystem müssen diese Ungerechtigkeiten endlich strukturell angehen und überwinden. Auch das Wohnumfeld hat einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, arm zu werden oder arm zu bleiben. Wer in einem Stadtteil wohnt, in dem viele Menschen mit niedrigem Einkommen leben, hat ein höheres Armutsrisiko als andere.

Außerdem zeigt der Armuts- und Reichtumsbericht, dass sich großstädtische Sozialraumstrukturen, stärker homogen entwickeln als Kleinstädte oder der ländliche Raum. Je größer die Gemeinde, desto stärker die Ausprägung. Damit steigt die Gefahr der räumlichen Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsund Einkommensgruppen. Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht offenbart ferner statistische Lücken, insbesondere an den Rändern der Verteilung. So gibt es weder eine amtliche Statistik zur Vermögensverteilung in Deutschland noch zu Obdach- und Wohnungslosigkeit.

Außerdem sind im fünften Armuts- und Reichtumsbericht keine Zahlen und Analysen zur verdeckten Armut enthalten, also zu Menschen die Anspruch auf Grundsicherungsleistungen hätten, aber diese nicht beziehen, also ein Einkommen noch unter dem Grundsicherungsniveau haben. Die Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist aber ein Grundrecht. Ziel sollte sein, dass alle Menschen selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können und niemand ausgegrenzt wird. Um Armut und Ungleichheit in Deutschland zu reduzieren sowie geringe und mittlere Einkommen, vor allem Familien, zu entlasten, ist ein umfassendes Programm notwendig. Dafür sind die Gewährung des Existenzminimums und universelle soziale Sicherungssysteme ebenso wichtig wie eine Infrastruktur, die Bildung, Zugang zum Arbeitsmarkt, gute Arbeit, Wohnen und Gesundheit für Alle ermöglicht.

Den gesamten Antrag "Teilhabe statt Armut - Alle Menschen am Wohlstand beteiligen" Drucksache Nr: 18/12557 gibt es hier.

Medienecho

Der Tagesspiegel, online vom 02.06.2017 "Grüne nennen SPD in der Gerechtigkeitsfrage unglaubwürdig"