Grünes Konzept für eine Kindergrundsicherung

FAIRE CHANCEN FÜR JEDES KIND

Die Unterstützung von Kindern und Familien in Deutschland ist vielfältig. Und dennoch lebt jedes fünfte Kind in Armut. Vor allem bei Alleinerziehenden oder Geringverdienen-den mit Kindern reicht das Geld oft hinten und vorne nicht. Bei zahlreichen Familien kommen die Leistungen nicht an. Kinderarmut ist ein nicht hinnehmbarer Zustand in einem so reichen Land wie Deutschland. Armut grenzt nicht nur vom gesellschaftlichen Leben aus, Armut macht auch Zukunftschancen kaputt. Es ist zutiefst ungerecht, wenn die Herkunft über die Zukunft entscheidet und nicht das, was in einem steckt. Darum genügen im Kampf gegen Kinderarmut keine Schmalspurlösungen. Es braucht endlich eine eigenständige Kindergrundsicherung, die allen Kindern Unterstützung und Teilhabe garantiert, egal wie hoch das Einkommen ihrer Eltern ist.

Den Fraktionsbeschluss gibt es hier.

Damit Kinder gut aufwachsen, sich ausprobieren und inmitten der Gesellschaft ihr Talente entfalten können, braucht es eine effektive Strategie, die aus einer Kombination von starken und unterstützenden Kitas, Schulen oder Jugendeinrichtungen sowie Geldleistungen bestehen muss. Das beste Mittel gegen Kinderarmut bleibt nach wie vor ein auskömmliches Einkommen beider Eltern. Deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass Familie und Beruf gut miteinander zu vereinbaren sind und Erwerbstätige von ihrer Arbeit leben können. Kinder sollten jedoch auch unabhängig von Herkunft und Geldbeutel der Eltern die Chance haben, auf einer gesicherten finanziellen Basis in ihr Leben zu starten.

Wir als grüne Bundestagsfraktion wollen eine Kindergrundsicherung, die Familien das Leben leichter macht und allen Kindern das garantiert, was sie zum Leben brauchen. Sie soll automatisch und ohne kompliziertes Antragsverfahren ausgezahlt werden: in Form eines fixen Garantie-Betrags für jedes Kind sowie eines ergänzenden und variablen GarantiePlus-Betrags, der sicherstellt, dass auch wirklich alle Kinder mit guten Chancen in ihr Leben starten können. Je niedriger das Einkommen der Familie ist, desto höher fällt der GarantiePlus-Betrag aus, den das Kind erhält. Daneben werden Mehr- und Einmalbedarfe und Leistungen aus dem bisherigen Bildungs- und Teilhabepaket unbürokratisch gewährt oder direkt ausgezahlt. So wird etwa das Schulstarterpaket (100 + 50 €) ohne extra Antrag allen Kindern, die den GarantiePlus-Betrag bekommen, automatisch zum Schuljahres- und Schulhalbjahresstart ausgezahlt. Kosten für Klassenfahrten oder Kitaausflüge sollen künftig direkt über die Schulen oder Kitas beantragt werden. Kein Kind soll von diesen prägenden Gemeinschaftserlebnissen ausgeschlossen sein.

Für die Kindergrundsicherung wollen wir jährlich 10 Milliarden Euro in die Hand nehmen. Damit verhindern wir wirksam Kinderarmut und unterstützen gleichzeitig alle Familien. Wer bislang Kindergeld bekam, wird in Zukunft das gleiche haben wie diejenigen die heute vom Kinderfreibetrag profitieren – und damit spürbar mehr als bislang. Wer kein eigenes Einkommen hat oder wessen Einkommen für den Unterhalt der gesamten Familie nicht ausreicht, dessen Kinder bekommen ohne langes Antragsverfahren
das, was sie für ein gutes Aufwachsen brauchen.

Ungerechtigkeiten beheben

Derzeit ist die Kinder- und Familienförderung trotz ihrer Vielzahl an Leistungen weder gerecht noch wirksam. Die Kinderregelsätze im Hartz IV-System sind zu niedrig, als dass Kinder damit gut aufwachsen können. Der Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen oder das Bildungs- und Teilhabepaket kommen bei vielen Kindern überhaupt nicht an, obwohl sie einen Anspruch auf diese Leistung haben. Eltern
mit hohem Einkommen erhalten durch die Kinderfreibeträge für ihre Kinder mehr Unterstützung vom Staat als Eltern mit kleinem oder mittlerem Einkommen, die Kindergeld erhalten. Der bestehende Leistungsdschungel für Familien ist unübersichtlich und intransparent. Er führt dazu, dass Eltern und ihre Kinder zwischen Lücken an den Schnittstellen verschiedener Leistungen immer wieder verloren gehen. So führt das derzeit aufwändige und vielen gar nicht bekannte Antragsprozedere beim Kinderzuschlag dazu, dass viele Eltern aufgeben und die Leistung nur bei jedem dritten Kind ankommt.

Viel zu viele Familien landen in verdeckter Armut und die Kinder wachsen mit einem unter dem Existenzminimum liegenden Familieneinkommen auf. Alleinerziehende sind besonders stark betroffen. Wir wollen die verdeckte Kinderarmut beenden und die staatliche Förderung von Kindern gerechter machen. Ob Leistungen bei Kindern ankommen, kann nicht davon abhängen, ob Eltern in der Lage sind, der Familie durch den Förderdschungel einen Weg zu bahnen.
In der Kindergrundsicherung werden zahlreiche Antragsverfahren obsolet. Das erspart viel Zeit, baut große Unsicherheiten ab und verhindert schließlich auch, dass Eltern und Kinder durch die Lücken des Unterstützungssystems fallen. Die Kinderregelsätze, der Kinderzuschlag, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, das Kindergeld und die Kinderfreibeträge gehen in einer Leistungssystematik auf. Die Kindergrundsicherung wird nicht besteuert.

Verdeckte Armut hat ein Ende

Damit kein Kind mehr in verdeckter Armut aufwachsen muss und alle auch wirklich das bekommen, was sie für ein gutes Aufwachsen benötigen, verbinden wir mit der Reform zur Kindergrundsicherung einen einmalig einfachen Leistungszugang für jede Familie: Zur Geburt des Kindes wird die Kindergrundsicherung – wie das heutige Kindergeld - einmal beantragt. Analog oder digital, wie es den Familien lieber ist. Dabei können die Eltern einwilligen, dass für sie automatisch geprüft wird, ob und in welcher Höhe ihnen neben dem Garantie-Betrag der GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung zusteht. 
Bis zum 18. Geburtstag des Kindes könnte dann anschließend per Datenaustausch zwischen den Behörden die Höhe der Kindergrundsicherung von der Familienkasse proaktiv geprüft, angepasst und automatisch ausgezahlt werden. Wie das heutige Kindergeld oder die Kinderregelsätze wird die Kindergrundsicherung unter bestimmten Voraussetzungen (Erstausbildung, Freiwilligendienst, Ausbildungssuche) bis zum 25. Geburtstag weiter gezahlt. Möchten Eltern das Datenaustauschverfahren nicht nutzen, können sie wie heute die Einkommensnachweise selbst erbringen. 
Anstatt Eltern, die oftmals ohnehin in schwierigen Lebenssituationen sind, mit endlosen komplizierten Anträgen und Nachweispflichten zu gängeln und von A nach B zu schicken, sorgen wir mit der Digitalisierung der Verwaltung dafür, dass das Leben von Familien leichter wird. Erste Schritte hin zu dieser Verwaltungsrevolution erprobt das Bundesland Bremen mit dem Projekt „Einfache Leistungen für Eltern – Elfe“: Rund um die Geburt ihres Kindes sollen Eltern ohne Behördengang und komplizierte Anträge per
ELFE App die Geburtsurkunde für ihr Kind, das Elterngeld und Kindergeld beantragen können. Für die Kindergrundsicherung entwickeln wir dieses Prinzip weiter. 

Das Kind im Mittelpunkt – Bedarfe neu ermitteln

Im Mittelpunkt der Kindergrundsicherung steht das Kind. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – ihre Bedarfe lassen sich nicht von denen Erwachsener ableiten und sie gehören auch nicht in das Hartz IV-System des Förderns und Forderns für Erwerbssuchende. 
Die Kindergrundsicherung ist deshalb eine eigenständige Leistung des Kindes. Sie wird nicht bei den Eltern als Einkommen angerechnet, wenn diese Sozialleistungen beziehen. Die Kindergrundsicherung hält nur dann, was ihr Name verspricht, wenn sie allen Kindern Lebenschancen eröffnet. Kinderarmut ist in Deutschland schon viel zu lange skandalös weit verbreitet. Kinder können nicht warten. Sie brauchen jetzt Unterstützung. 
Deshalb halten wir in Anlehnung an einschlägige Fachexpertisen eine deutliche und zügige Erhöhung der jetzigen Mindestbedarfe für notwendig. Wir wollen Fehler in der Bedarfserhebung korrigieren und der bestehenden Statistikmethode, mit der die Höhe der Kinderregelsätze ermittelt werden, neue Prämissen zu Grunde legen, um unmittelbar jedem Kind soziokulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Wir orientierten die Kinderregelbedarfe stärker an dem, was die gesellschaftliche Mitte zum Leben ausgibt. Denn alle Kinder sollen die Chance haben, im Sportverein mitzumachen, ab und zu ins Kino zu gehen oder mit der besten Freundin im Freibad ein Eis zu essen. Die Regelsätze leiten sich aus den Ausgaben einer Referenzgruppe ab. Bei der Ermittlung der Kinderregelsätze klammern wir verdeckt Arme aus der Referenzgruppe explizit aus. Die Praxis der nachträglichen und willkürlichen Streichung von Ausgabenpositionen beenden wir.

Jedes Kind soll Chancen ergreifen und seine Talente entfalten können. Was das im Einzelnen ausmacht, ist mit den bestehenden Methoden aber bislang nur näherungsweise geklärt. Deshalb gehört für uns zu einer Kindergrundsicherung perspektivisch auch eine grundlegende Neuermittlung dessen, was Kinder für ein gutes Aufwachsen benötigen. Wir wollen eine Expertenkommission einsetzen, die ermittelt, was die
Bedarfe von Kindern sind. Dabei müssen unbedingt auch Kinder und Jugendliche selbst einbezogen werden.

Alleinerziehende im Fokus 

Alleinerziehende sind besonders häufig von Armut bedroht oder betroffen. Vier von zehn Alleinerziehenden mit kleinen Kindern sind in Deutschland arm. Ein Drittel der Alleinerziehenden ist auf Grundsicherungsleistungen (ALG II) angewiesen. Alleinerziehende profitieren also in besonderem Maße von der Einführung der Kindergrundsicherung. Ihre finanzielle Situation verbessert sich gleich mehrfach: Durch die Neuberechnung der Mindestbedarfe von Kindern steigt automatisch auch der Mindestunterhalt und anders als beim heutigen Kindergeld soll die Kindergrundsicherung auch beim Unterhaltsvorschuss nur zur Hälfte angerechnet werden. Alleinerziehende haben mit der Kindergrundsicherung also ein deutliches Plus im Portemonnaie. Wir gestalten die Aufteilung der Kindergrundsicherung bei getrennt lebenden Eltern einfach und kindgerecht. Auch mit der Kindergrundsicherung bleibt die Unterhaltspflicht beider Elternteile gegenüber dem Kind bestehen. Die Leistung wird jedoch auf den unterhaltsrechtlichen Bedarf des Kindes – jeweils zur Hälfte bei beiden Elternteilen – angerechnet. 
Nach einer Trennung oder Scheidung fallen Kosten, die für Kinder aufgebracht werden, doppelt an, z.B. für einen Schreibtisch oder Bettwäsche. Das führt schnell dazu, dass bei getrennt lebenden Eltern im Transferleistungsbezug, die beide für ihr Kind da sein wollen, das Geld äußerst knapp wird. Hält sich ein Kind nicht nur bei einem, sondern auch beim zweiten Elternteil auf, und beziehen beide Eltern Transferleistungen, wird tageweise abgerechnet. Am Ende haben oft beide Elternteile nicht genug. Über die Frage, ob Eltern nach einer Trennung weiterhin beide für ihr Kind oder ihre Kinder da sein können, darf nicht der Geldbeutel entscheiden. Daher führen wir für getrennt lebende Eltern einen Umgangsmehrbedarf im SGB II ein. 

1. Die zwei Bausteine der Kindergrundsicherung

Die Kindergrundsicherung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Bausteinen: einem fixen Garantie-Betrag für jedes Kind und einem ergänzenden GarantiePlus-Betrag, der sich nach der finanziellen Situation der Familie richtet. Je niedriger das Einkommen der Eltern ist, desto höher fällt der GarantiePlus-Betrag aus. 

Garantie-Betrag für alle Kinder
Der Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung soll das heutige Kindergeld ablösen und jedem Kind zustehen. Der Garantiebetrag ist so hoch, dass der Vorgabe der Verfassung, nach Freistellung des kindlichen Existenzminimums bei der Besteuerung des Elterneinkommens, entsprochen wird. Er entspricht der maximalen steuerlichen Entlastungswirkung und macht damit Schluss mit dem ungerechten Nebeneinander von Kindergeld und Kinderfreibeträgen, das bisher Kindern von Eltern mit hohem Einkommen besser stellte. Mit der Neuermittlung dessen, was Kinder zum Aufwachsen brauchen, verändern
sich auch die Kinderfreibeträge im Steuerrecht. Als derzeitiger Ausgangspunkt liegt der Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung bei 280 Euro. 

So kommen wir zur Höhe des Garantie-Betrags
Die verminderte steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigt werden. Deshalb gibt es die Kinderfreibeträge im Steuerrecht. Sie bestehen aus dem sächlichen Existenzminimum und dem darüber hinausgehenden Aufwand für Betreuung, Erziehung bzw. Ausbildung (BEA). Die Höhe des sächlichen Existenzminimums leitet sich aus dem kindlichen Existenzminimum im Sozialhilferecht ab und wird alle zwei Jahre im von der Bundesregierung vorzulegenden Existenzminimumbericht festgestellt. Durch die 
Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern im Sozialrecht steigt dementsprechend auch das sächliche Existenzminimum im Steuerrecht und liegt 2019 bei 477 Euro.
Der BEA beinhaltet zwei Komponenten. Der Teil des BEAs, der sich auf die Teilhabebedarfe von Kindern bezieht, geht mit der Neuberechnung der Regelbedarfe im soziokulturellen Existenzminimum von Kindern auf. Die zweite Komponente des BEAs, der den Betreuungsaufwand von Eltern abbildet, muss nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben. Dabei wird auch nicht danach unterschieden, ob Eltern das Kind persönlich betreuen oder eine Betreuung durch die Kita oder den Hort in Anspruch nehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt, dass das Einkommensteuergesetz den Betreuungsbedarf eines Kindes stets zu verschonen hat. Da wir mit der Kindergrundsicherung eine der beiden Komponenten des BEAs in das steigende sächliche Existenzminimum von Kindern integrieren, werden wir ihn um die Hälfte
reduzieren. Im Ergebnis führt dies zu einer maximalen steuerlichen Entlastungswirkung von 280 Euro und damit zu der Summe des Garantie-Betrags der Kindergrundsicherung. 

GarantiePlus-Betrag holt Kinder aus dem SGB II und löst den Kinderzuschlag ab
In Familien, in denen die Eltern nicht oder nicht vollständig das Existenzminimum ihrer Kinder sichern können, erhalten die Kinder neben dem Garantie-Betrag zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Und zwar automatisch, damit er auch bei allen ankommt. Der GarantiePlus-Betrag ersetzt damit den Kinderzuschlag und das Sozialgeld für Kinder. 
Familien, die bislang von den Kinderfreibeträgen profitiert haben, kennen es bereits: Sie beantragen zur Geburt des Kindes einmalig das Kindergeld, und ab dann prüft der Staat, ob der Kindergeldbezug oder die steuerliche Entlastung durch die Kinderfreibeträge günstiger ist. Familien, die den Kinderzuschlag oder Sozialleistungen für ihre Kinder beantragen wollen, erleben bisher das komplette Gegenteil. Sie müssen seitenweise Anträge ausfüllen und Nachweise erbringen. Und das nicht nur einmal, sondern mehrmals im Jahr. Dabei sind die meisten der abgefragten Daten öffentlichen Stellen längst bekannt. Wir bauen Bürokratie ab, indem wir bereits vorliegende Daten nutzen. 
Grundvoraussetzung ist immer die Einwilligung der Eltern, dass ihre Daten anlassbezogen abgerufen werden dürfen. Damit wird es möglich, die Kindergrundsicherung automatisch und ohne kompliziertes Antragsverfahren monatlich in der exakten Höhe auszuzahlen. Per Datenaustausch zwischen den Behörden soll die Höhe des GarantiePlus- Betrags der Kindergrundsicherung von der Familienkasse proaktiv geprüft und angepasst werden. Dies ist der entscheidende Schritt, um Kinder aus der verdeckten Armut zu holen und dafür zu sorgen, dass alle zu ihrem Recht kommen. 

Der GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung ermöglicht, dass auch wirklich alle Kinder bekommen, was sie für ein gutes Aufwachsen brauchen. Die Höhe basiert auf der Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums von Kindern. So wie die Kosten für den Einkauf im Supermarkt, für neue Kleidung oder für die Kinokarte steigen, ist auch die Kindergrundsicherung in ihrer Höhe dynamisch angelegt. Sie orientiert sich an der aktuellen Einkommens- und Verbraucherstatistik und dem alle zwei Jahre von der
Bundesregierung vorzulegendem Existenzminimumbericht.

Für das Jahr 2019 ergibt sich in Kombination von Garantie-Betrag und GarantiePlus-Betrag folgende maximale Höhe der Kindergrundsicherung:
0 bis 5 Jahre: 280 + 84 = 364 Euro
6 bis 13 Jahre: 280 + 195 = 475 Euro
14 bis 17 Jahre: 280 + 223 = 503 Euro
Unter bestimmten Voraussetzungen (Erstausbildung, Freiwilligendienst, Ausbildungssuche) wird der Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung wie das heutige Kindergeld bis zum 25. Geburtstag gewährt und direkt an die jungen Erwachsenen ausgezahlt. Der GarantiePlus-Betrag wird durch andere Leistungen wie der Grundsicherung für Erwachsene, der Berufsausbildungsbeihilfe oder dem BAföG ersetzt. Für Studierende von 18 bis 24 Jahren stellt der Garantie-Betrag der Kindergrundsicherung die erste Säule der grünen Grundsicherung für Studierende (Zwei-Säulen-Modell1) dar. Der GarantiePlus-Betrag wird bei Studierenden durch den Bedarfszuschuss, der zweiten Säule der grünen Grundsicherung für Studierende, ersetzt.

2.Teilhabe sicherstellen: Gute Infrastruktur vor Ort, sowie Mehr- und Einmalbedarfe

Wir wollen im Rahmen der Kindergrundsicherung sicherstellen, dass auch unregelmäßig anfallende oder sehr spezifische Bedarfe prinzipiell gedeckt werden können. Denn keine noch so gut bemessene pauschalierte Leistung kann alle Eventualitäten abdecken. Im Jahr 2010 urteilte das BVerfG eindeutig, dass die geltenden Kinderregelsätze nicht existenzsichernd seien und es die Aufgabe des Bundesgesetzgebers sei, das soziokulturelle Existenzminimum für alle Kinder sicherzustellen (BVerfG, 1 BvL 1/09). Im Jahr 2011 wurde in Reaktion auf das Urteil das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) eingeführt. Mehr als 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche hätten Anspruch auf Unterstützung bei der Klassenreise, für Klavierunterricht, den Fußballverein oder ein neues Geodreieck. Doch nicht einmal die Hälfte nutzen es. Vielmehr wachsen viel zu viele Kinder in verdeckter Armut auf. 

Dabei zeigen sich deutliche regionale Unterschiede: Während etwa in Schleswig-Holstein rund jedes zweite leistungsberechtigte Kind die Leistung Bedarfe zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben des BuT in Anspruch nimmt, machen dies im Saarland gerade einmal 7 Prozent (Der Paritätische, Kurzexpertise Nr. 4/2018). Die Beispiele zeigen, dass es entscheidend ist, dass vor Ort eine gut erreichbare Infrastruktur aufgebaut wird, die auch unbürokratisch, ohne aufwändiges Antragsverfahren genutzt werden kann.

Die Existenzsicherung von Kindern darf nicht vom Zufall des Wohnortes abhängen. Kinder müssen überall gut aufwachsen können. Deswegen wollen wir das Bürokratiemonster Bildungs- und Teilhabepaket überwinden und gemeinsam mit den Ländern und Kommunen den Ausbau und die Verbesserung infrastruktureller Bildungs- und Teilhabeangebote auf der kommunalen Ebene für Kinder und Jugendliche vorantreiben. Ein Teil 1 Siehe Drs. 19/508 „BAföG sichern und ausbauen“ der bisherigen BuT-Leistungen geht damit in Angeboten vor Ort direkt und unbürokratisch auf. Dabei können wir von den guten Erfahrungen engagierter Kommunen lernen.
Kinder, die den GarantiePlus-Betrag bekommen, werden bisherige BuT-Leistungen, die sie einzeln und aufwändig beantragen mussten, künftig viel einfacher erhalten. Die Kosten für Klassenfahrten, Tagesausflüge oder Lernförderung sollen möglichst gesammelt über die Schulen oder Kitas bei dem örtlichen Leistungsträger beantragt werden. Ein warmes Mittagessen und Fahrten mit Bus und Bahn müssen den Kindern kostenlos und unbürokratisch zur Verfügung gestellt werden. Die Bedarfe zur Teilhabe
am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gehen in der Kindergrundsicherung auf. Das Schulstarterpaket bekommt jedes Kind, das den GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung erhält, automatisch zu Beginn des Schuljahres bzw. des Schulhalbjahres ausgezahlt. Damit alle Kinder auch wirklich bekommen, was ihnen zusteht, schaffen wir aufwändige Einzelanträge ab. Zugleich ist es essentiell, vor Ort ein niedrigschwelliges Angebot von Teilhabemöglichkeiten weiter auszubauen. Dazu gehören Familienzentren oder Musikschulen genauso wie öffentliche Freibäder oder Jugendclubs.

Kinder, die den GarantiePlus-Betrag der Kindergrundsicherung erhalten, haben weiterhin Anspruch auf individuelle Mehr- und Einmalbedarfe. Dazu gehört die Erstausstattung bei der Geburt, besondere therapeutische Bedarfe wie orthopädische Schuhe oder spezielle Ernährung bei Allergien.
Wohnungs- und Heizkosten gehören zu den Grundbedarfen eines jeden Kindes und müssen deshalb im Existenzminimum berücksichtigt werden – sowohl im Sozial- als auch im Steuerrecht. Die Kindergrundsicherung enthält deshalb eine Pauschale für Wohn- und Heizkosten, die sich aus dem Existenzminimumbericht ableitet. Wohn- und Heizkosten sind jedoch regional sehr unterschiedlich. Wenn Eltern im Grundsicherungsbezug sind und der anteilige Kinderbedarf für Wohnen und Heizen über dieser Pauschale liegt, soll der Mehrbedarf über die Kosten der Unterkunft für die Eltern ausgeglichen werden. Auch ein ergänzender Bezug von Wohngeld soll möglich bleiben. 

3. Verdeckte Armut beenden – Digitalisierung nutzen

Soziale Rechte sind Menschenrechte und keine Almosen. Sie sind auch daran zu messen, wie schwierig oder leicht sie einlösbar sind. Bei der Existenzsicherung von Kindern liegt hierbei noch einiges im Argen. Es ist Zeit für einen Kulturwandel im Verhältnis vom Staat zu seinen Bürgerinnen und Bürgern. Wir halten es für die Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass armutsbekämpfende und existenzsichernde Leistungen bei allen ankommen, die sie brauchen – und dazu auch das eigene Verwaltungshandeln grundsätzlich zu überdenken. Deshalb machen wir den Bezug der Kindergrundsicherung für alle Eltern und ihre Kinder revolutionär einfach. Wenn sie wollen, können Eltern zukünftig auf einer digitalen Serviceplattform oder auch gleich per App auf dem Smartphone die Kindergrundsicherung zur Geburt des Kindes beantragen. Dabei können sie darin einwilligen, dass für sie automatisch geprüft wird, ob und in welcher Höhe ihnen neben dem Garantie-Betrag der GarantiePlus-Betrag zusteht (i). Denn die Informationen über das Einkommen der Eltern sind verschiedensten öffentlichen Stellen, wie den Rentenversicherungskassen, Einkommenssteuerbehörden, Besoldungsämtern für Beamte oder den Trägern der Grundsicherungskassen längst bekannt. (iii) Sie müssten lediglich für den Zweck der Antragstellung berücksichtigt und zusammengeführt werden. Damit werden Familien davon befreit, seitenweise Anträge auszufüllen und diverse Nachweise zu erbringen. Die Serviceplattform soll nicht nur der Beantragung dienen, sondern auch Transparenz darüber schaffen, welche Daten zwischen den verschiedenen Behörden und der Familienkasse ausgetauscht werden, um die Anspruchshöhe der Kindergrundsicherung zu berechnen. Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung erforderlicher personenbezogener Daten, Fragen der notwendigen Speicherungsdauer und des Datenaustauschs unter den Behörden sowie antragsbezogener Kommunikation zwischen Bürger und Behörde müssen im Einklang mit dem Datenschutzrecht in den betroffenen Fachgesetzen geregelt werden.(iii)

Mit der Kindergrundsicherung wird die Familienförderung für einkommensarme Familien so einfach, wie sie bislang nur für wohlhabende Familien ist. Wir nutzen die Möglichkeiten der Digitalisierung, um Eltern die Laufarbeit von einer zu nächsten Behörde abzunehmen, ihnen mehr Zeit für ihre Kinder zu lassen und dabei alle Kinder aus der verdeckten Armut zu holen.


Anlage/weitergehende Informationen:
i Eine einfache Administration erfordert eine einfache Berechnung der Leistungshöhe. Damit das gelingt, wird die Kindergrundsicherung sehr viel einfacher konzipiert, als es die heutigen Sozialleistungen für Kinder sind. Informationen, die zur Berechnung der Höhe der Kindergrundsicherung notwendig sind, reduzieren wir aufs Nötigste. So soll etwa der Mindestbedarf und Selbstbehalt der Eltern nicht mehr für jede einzelne Familie individuell hergeleitet, sondern pauschal festgesetzt werden. Bis zum Mindestbedarf und Selbstbehalt der Eltern wird die Kindergrundsicherung in voller Höhe ausgezahlt. Ab diesem Grenzwert wird sie langsam bis zum garantierten Betrag abgeschmolzen.
ii Für den Datenaustausch zwischen den öffentlichen Kassen muss zwischen den verschiedenen Einkommensarten unterschieden werden: Einkommen durch öffentliche Kassen, die zum Höchstsatz der Kindergrundsicherung führen (ALG II, Sozialhilfe): Bereits nach geltendem Recht können Antragsteller*innen eine Einwilligung zum Zugriff und zur Verarbeitung der beim Träger der Grundsicherung nach dem SGB II gespeicherten Sozialdaten erteilen. Diese Möglichkeit der freiwilligen Einwilligung kann
entsprechend erweitert werden. Das ist möglich, weil es sich um die Antragsteller begünstigende Akte der Leistungsverwaltung handelt. Zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang auch eine gesetzliche Grundlage die zur Berechnung zusammenzuziehenden Daten rechtfertigen kann. Nach geltendem Recht besteht keine Pflicht zur Einwilligung, dann aber müssen die entsprechenden Nachweise erbracht werden.
Einkommen durch öffentliche Kassen, die eine Berechnung des variablen Betrags notwendig machen (ALG I, Renten o.ä.), Erwerbseinkommen, Unterhalt: Die Rentenversicherungskassen oder Besoldungsämter für Beamte bekommen monatlich aktuelle Gehaltsdaten vom Arbeitgeber übermittelt. Die Daten über die Höhe der Einkommen werden mit den Familienkassen ausgetauscht, so dass diese die Höhe der Kindergrundsicherung berechnen können. Daten von denjenigen die nicht in die Rentenversicherung oder bei Besoldungsämtern einzahlen, kommen dort entsprechend auch nicht an. Dies betrifft vor allem Selbstständige. Wenn die Familienkasse keine Daten übermittelt bekommt, sollte sie die Personen in regelmäßigen Abständen proaktiv anschreiben und über die möglicherweise zustehende Leistung informieren, sowie einen Antrag zur Berechnung der variablen Höhe der Kindergrundsicherung versenden.
iii Moderne Register und qualitativ hochwertige Datenbestände sind das Fundament, das eine digitalisierte Antragstellung und Antragsbearbeitung erlaubt und damit schnelle und korrekte Leistungsberechnungen ermöglicht – auch bei komplizierteren Anträgen mit vielen Nachweisen aus amtlichen Registern. Wo möglich sollen hier sichere dezentrale Berechnungsverfahren genutzt werden, um Datenübermittlungen zwischen den Behörden zu reduzieren. Damit sichergestellt ist, dass die Daten aus einem (bundesweiten) Serviceportal für Bürger auch von der örtlich zuständigen Behörde ohne Medienbruch in das Fachverfahren übernommen werden, muss eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung abgeschlossen oder Bundesrecht im Sinne einer bundeseinheitlichen digitalen Antragspraxis geändert werden. Verwaltungsrechtliche Details wie der Umgang mit dem doppelten Schriftformerfordernis, also der Unterschrift beider Eltern, dem
sicheren Identitätsnachweis, dem Umgang mit pflichtgemäßem Ermessen und Verfahrensermessen (Nachforderung von Originalen bei Täuschungsrisiko), der Frage der wirksamen bzw.
rechtssicheren Zustellung von Entscheidungen (Verwaltungsakten) und der Kommunikation mit dem Bürger und der Bürgerin müssen hier ebenfalls verbindlich für das digitale Verfahren geklärt werden. Eine harmonisierte Kennzeichnung von Registerdaten ist für eine vollständige Digitalisierung, zumindest für die zu bearbeitenden Teilbereiche bzw. „Ereignisse“ (wie die Kindergrundsicherung oder das Elterngeld) Voraussetzung. Dabei gilt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Volkszählungsurteil aus dem Jahre 1983, das eine übergreifende Identifikationsnummer für Personen untersagt. Eine Lösung muss also zusammen mit den Datenschutzbehörden erarbeitet werden (vgl. ViTaKo-Gutachten, S. 3:
www.dataport.de/Download/Registermodernisierung-Gutachten.pdf).

FRAKTIONSBESCHLUSS DER BUNDESTAGSFRAKTION BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 06/2019