Zum Stand der Diskussion zur Garantiesicherung
Wir stehen vor einem Jahrzehnt der Veränderungen. Wir brauchen einen ökologischen Wandel gegen die Klimakrise, die Digitalisierung verändert die Wirtschaft und unsen Alltag, wir leben länger und die "Babyboomer" gehen im nächsten Jahrzehnt in Rente. Die Gesellschaft wird bunter, älter und vielfältiger. Um diesen Wandel positiv zu gestalten, ist eine andere, bessere soziale Absicherung notwendig. Die Sozialversicherungen müssen nach dem Prinzip Bürgerversicherung ausgebaut werden und die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung für alle Beschäftigten.
Und: die Mindestsicherung muss anders werden. Die heutige Grundsicherung - im Volksmund Hartz IV genannt - wird den Veränderung nicht gerecht und schafft nicht die soziale Sicherheit, die notwendig ist. Sanktionen, aufgestaute Klagen vor den Sozialgerichten, überbordende Bürokratie. Das Prinzip der bedürftigkeitsgeprüften Grundsicherung wirkt nicht nur verstaubt, überholt, ungerecht und falsch – es ist es.
Wir Grüne machen uns auf den Weg in eine Grundsicherung der Zukunft. Dieser Weg heißt grüne Garantiesicherung.
Ende letzten Jahres eröffnete Robert Habeck, einer unserer beiden Parteivorsitzenden, die Debatte um die Grundsicherung der Zukunft. Seitdem, und auch schon davor, diskutieren wir grünen Fachpolitiker*innen innerhalb der Partei und der Fraktion – begleitet von einer breiten öffentlichen Aufmerksamkeit – nichts Geringeres als die Frage wie wir Hartz IV hinter uns lassen können. Auch ich habe einen Kommentar "Garantiesicherung - aber wie?" zum Vorschlag von Robert Habeck verfasst. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Finanzen der Partei hat auf der Basis eines Gutachtens Garantieeinkommen für Alle des ifo-Instituts den Beschluss "Hartz IV hinter uns lassen" mit weiteren Konkretisierungen gefällt.
Die Diskussion zeigt:
Wir haben viele Ideen wie ein besseres zukunftsfestes System sozialer Sicherung zu gestalten ist. Zu groß sind die Probleme und Reformbedürftigkeit des bestehenden Grundsicherungssystems. Der Handlungsdruck ist enorm, wie eine Palette an Punkten verdeutlicht:
- Die Grundsicherung verfehlt ihr zentrales Ziel: die Armutsbekämpfung.
- Die Bedürftigkeitsprüfung führt zu Stigmatisierung und viele nehmen die ihnen zustehenden Leistungen aus Scham, manchmal auch aus Unkenntnis, erst gar nicht in Anspruch. Studien gehen davon aus, dass ca. 1/3 aller Anspruchsberechtigten gar keine Leistungen erhalten. Die verdeckte Armut kommt also als entscheidender Faktor noch mit dazu und offenbart so das Versagen des Hartz-Systems.
- Sanktionen verschärfen das noch, verunsichern und führen dazu, dass das Existenzminimum eben nicht sicher abgedeckt und können sogar zu Wohnungslosigkeit führen. Das System erachtet es als notwendig diese Menschen zu disziplinieren und zu erziehen. Dieses negative Menschenbild lehnen wir Grünen ab.
- zu geringe Regelsätze führen dazu, dass sich die Armut verschärft. So sichern die Regelsätze nicht das Existenzminimum. Von der Gewährleistung eines Mindestmaß an kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe ganz zu Schweigen. Seit Jahren wird der Regelsatz kleingerechnet. Das muss ein Ende haben.
- Darüber hinaus verhindert das bestehende System eher Erwerbsarbeit, als dass es sie fördert. Das liegt an den bestehenden extrem ungerechten Zuverdienstmöglichkeiten.
- Das Grundsicherungssystem ist mitnichten zielgenau ausgerichtet ist. Die meisten Personen im Sozialgesetzbuch II – also in der Grundsicherung für Arbeitssuchende – sind gar nicht arbeitslos. Viele von ihnen arbeiten, haben jedoch Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende weil sie bspw. mit zwei Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Über eine Million Erwerbstätige beziehen Arbeitslosengeld II, die meisten davon sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Hinzu kommen Erwachsene, die dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stehen wie Alleinerziehende mit kleinen Kindern. Ist dieser Personenkreis in diesem Rechtskreis richtig verortet? Dies darf angezweifelt werden.
Reformen im System reichen nicht aus. Nur ein paar Stellschrauben zu verändern, schafft nicht die soziale Sicherheit, die wir brauchen, um den Wandel positiv zu gestalten. Wir brauchen ein neues System, das Sicherheit und Teilhabe für Alle garantiert.
Wir Grüne sagen ganz klar: die Zeit ist über Hartz IV hinweg gegangen