Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag zeigt die komplette Inkompetenz der AfD in sozialpolitischen Fragen. Er geht an den Zukunftsfragen, die im Land überall diskutiert werden, völlig vorbei und zeugt von völliger Inkompetenz. Meine Kolleginnen und Kollegen von den anderen Fraktionen, die vor mir geredet haben, haben die mangelnde Substanz schon weitgehend aufgezeigt, sehr bildlich ja der Kollege Johannes Vogel. Und in der Tat: Die ersten fünf Seiten wirken, als seien sie irgendwie aus Wikipedia oder sonst wo zusammenkopiert.
(Sebastian Münzenmaier (AfD): Damit kennen Sie sich ja aus! - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Wikipedia vor drei Jahren!)
Das ist nicht mal ein gut lesbarer Text.
Und das Hauptargument gegen den „Vorschlag“ - in Anführungszeichen -, der am Ende kommt, steht schon im ersten Satz. Da steht nämlich:
Bei der Arbeitslosenversicherung handelt es sich um eine Risikoversicherung …
Aber wahrscheinlich haben Sie diesen Satz nur kopiert und ihn gar nicht verstanden. Die Arbeitslosenversicherung funktioniert nämlich gerade nicht wie die Rentenversicherung, in die man einzahlt und dann nach dem Äquivalenzprinzip Leistungen bekommt. Das ist ein anderes Versicherungsprinzip. Bei der Arbeitslosenversicherung handelt es sich eben um eine Risikoversicherung. Das Risiko ist, arbeitslos zu werden. Und die Absicherung dagegen beinhaltet auch, die Menschen möglichst schnell wieder dazu zu bringen, eine Beschäftigung zu finden und in den Arbeitsmarkt zurückzukehren.
(Dr. Alice Weidel (AfD): Ja, also eine Versicherung!)
Das heißt, die Menschen bekommen für eine begrenzte Zeit eine Lebensstandardsicherung und entsprechende Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt. Was Sie vorschlagen, hat mit dieser Logik überhaupt gar nichts zu tun. Es ist einfach nur Unsinn.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN - Dr. Alice Weidel (AfD): Äquivalenzprinzip heißt das! Prinzip einer jeden Sozialversicherung!)
Wenn argumentiert wird, die Älteren bekämen ja auch länger Arbeitslosengeld, dann hat das nichts damit zu tun, dass sie länger eingezahlt haben.
(Sebastian Münzenmaier (AfD): Und das kritisieren wir!)
Das hat der Kollege Matthias Zimmer eben schon erklärt; das kam in den anderen Redebeiträgen auch angedeutet vor.
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel (AfD))
Sie bekommen deswegen länger Arbeitslosengeld, weil ältere Menschen länger brauchen, um wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen. An dieser Stelle kann man vielleicht sogar darüber reden, ob es eine Verlängerung bei der Bezugsdauer gibt. Das sollte aber vom Alter und von der Arbeitsmarktsituation abhängen und nicht davon, wer wie lange eingezahlt hat. Wie gesagt, das ist völliger Unsinn.
(Sebastian Münzenmaier (AfD): Ich weiß, dass für Sie das Leistungsprinzip völlig egal ist!)
Aus unserer Sicht muss man an ganz anderen Punkten ansetzen - hören Sie mal auf, dazwischenzubrüllen; also diese Inkompetenz von Ihnen! -, wenn man bei der Arbeitslosenversicherung, bei der Absicherung von Arbeitslosen wirklich etwas verbessern will.
(Dr. Alice Weidel (AfD): Ja, das sozialversicherungstechnische Äquivalenzprinzip, das Sie nicht verstehen! Genauso ist es doch!
- Frau Weidel, Sie haben doch auch keine Ahnung. Seien Sie doch mal still!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN - Dr. Alice Weidel (AfD): Doch! Von Sozialversicherungen habe ich viel Ahnung! Sie verstehen ja noch nicht mal das Äquivalenzprinzip!)
Wenn man bei der Absicherung von Arbeitslosen etwas verändern will, dann muss man an ganz anderen Punkten ansetzen.
Für uns ist erstens wichtig: Wir müssen den Zugang zum Arbeitslosengeld I verbessern.
(Dr. Alice Weidel (AfD): Ach!)
Von den Kurzzeitarbeitslosen bezieht mittlerweile nur noch knapp die Hälfte Arbeitslosengeld I. Die anderen sind gleich in Hartz IV. Da müssen wir ansetzen. Wer Arbeitslosenbeiträge bezahlt hat, der muss auch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bekommen.
(Dr. Alice Weidel (AfD): Ach nee!)
Wir haben dazu Vorschläge vorgelegt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Auch wer nur kurz eingezahlt hat, muss einen Anspruch bekommen. Das ist das Wesen der Versicherung.
Zweiter Punkt. Viele Menschen problematisieren ja, dass man nach Ende der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Hartz IV abrutscht, viele auch schon sofort. Das ist deswegen für die Menschen ein Problem, weil es Existenzängste auslöst, da dieses Hartz-IV-System so ausgelegt ist, dass es nicht vor Armut schützt, dass es stigmatisiert. Deswegen wollen wir Grüne Hartz IV durch eine Garantiesicherung überwinden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der dritte wichtige Punkt: Wir müssen die Arbeitslosenversicherung insofern stärken, dass wir sie zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln. Wir müssen auch Solo-Selbstständige, prekäre Selbstständige mit absichern. Wir müssen insbesondere dazu kommen, dass die Erwerbstätigen präventiv besser unterstützt werden - durch Weiterbildung, durch weitere Maßnahmen -, damit sie erst gar nicht in Arbeitslosigkeit abrutschen. Das wäre ein wichtiger Punkt im Hinblick auf die Fragen der Zukunft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich könnte noch ganz lange über unsere Konzepte als Grüne dazu reden; aber ich finde, die AfD hat uns schon viel zu viel Zeit gestohlen. Ich habe noch zwei Minuten, und die möchte ich Ihnen und uns allen schenken.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)