24.04.2015

Für einen sozialen Arbeitsmarkt, der nicht ausgrenzt

Es sollte um einen sozialen Arbeitsmarkt ohne Barrieren und Hindernisse zum "normalen" Arbeitsmarkt gehen

Protokoll der Rede anlässlich der Debatte des Antrags der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Jutta Krellmann, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE am am Freitag, 24.04.2015 :

"Programm für gute öffentlich geförderte Beschäftigung auflegen"  
Drucksache 18/4449

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist in der Tat viel zu ernst, als dass man hier mit solchen merkwürdigen Scharmützeln arbeiten sollte. Ich fand den Stil in manchen Reden von Vertretern der Koalition etwas unangemessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ansonsten bin ich den Linken für ihren Antrag sehr dankbar, weil damit auf ein zentral wichtiges Thema hingewiesen wird. Außerdem gibt er uns noch einmal die Möglichkeit, die unterschiedlichen Ansätze von Linken und Grünen klar darzustellen. Die Linken machen in ihrem Antrag sehr deutlich, dass sie zentrale Merkmale unseres Ansatzes eines grünen sozialen Arbeitsmarktes ablehnen. Darauf werde ich jetzt eingehen.

Das Ziel der Grünen ist eine Gesellschaft, an der alle Menschen selbstbestimmt teilhaben können. Wir streben eine Gesellschaft an, in der niemand ausgegrenzt wird. Die Umsetzung der Forderungen im Antrag der Linken würde in der Tat eher das Gegenteil bewirken, was ich an ein paar Punkten ausführen möchte.

Der erste Punkt ist die Frage: Wer ist eigentlich die Zielgruppe? Da sagen Sie: alle Langzeitarbeitslosen. Alle Langzeitarbeitslosen, so schimmerte es sowohl in der Rede von Frau Werner als auch in Ihrem Antrag durch, hätten überhaupt keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Das ist eine Stigmatisierung der Langzeitarbeitslosen, die wir unterlassen sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Es ist mitnichten so, dass alle Langzeitarbeitslosen überhaupt keine Chance haben. Viele Langzeitarbeitslose sind gut qualifiziert und verfügen über besondere Fähigkeiten. Mit einer guten Förderung eröffnen wir ihnen viele Möglichkeiten. Viele Menschen finden auch nach mehr als einem Jahr Arbeitslosigkeit wieder aus der Arbeitslosigkeit heraus.

(Abg. Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Frau Präsidentin.

(Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Genau das, was ich dachte: Keine Redezeit, aber laufend Zwischenfragen stellen! - Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Das würden wir sonst auch machen! - Gegenruf des Abg. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Ach so!)

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Herr Kollege Strengmann-Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Zimmermann?

(Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Er wartet schon darauf! - Dr. Matthias Bartke (SPD): Jetzt Nein sagen!)

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich gestatte sie sehr gerne.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Bitte schön.

Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE):

Ich habe mich vorbereitet; das wollte ich vorweg sagen. - Vielen Dank, Kollege Strengmann-Kuhn.

Ich will einfach nur etwas klarstellen. In unserem Antrag steht: Qualifizierung und Weiterbildung haben Vorrang. - Wenn jemand auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden kann, ist das gut. Deswegen möchte ich einfach klarstellen, dass nicht alle Langzeitarbeitslose in den öffentlichen Sektor hinein sollen, sondern für uns steht die Vermittlung auf dem ersten Arbeitsmarkt wirklich an erster Stelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie schreiben aber in Ihrem Antrag, dass sich auf die 200 000 Plätze alle Langzeitarbeitslosen bewerben können, und zwar ohne Einschränkungen. Das gilt dann auch für diejenigen, die Chancen auf eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt hätten. Das führt dazu, dass diejenigen, die keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, auch keine Chance auf einen ihrer 200 000 Arbeitsplätze haben. Das heißt, die Ausgrenzung an dieser Stelle, die wir mit dem sozialen Arbeitsmarkt angehen wollen, besteht in Ihrem Konzept weiterhin. Die 200 000 Menschen, die langzeitarbeitslos sind und mehrere Vermittlungshemmnisse haben, hätten auch in Ihrer öffentlich geförderten Beschäftigung keine Chance. Das führt zur Ausgrenzung. Das ist ein Punkt, den wir in Ihrem Vorschlag kritisieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt ist: In welche Art von Beschäftigung kommen diese Menschen? Es ist für uns wichtig, dass Barrieren abgebaut werden und dass wir an die Sache inklusiv herangehen. Deswegen sprechen wir nicht von einem zweiten oder dritten Arbeitsmarkt mit einem hierarchischen Aufbau, sondern wir sprechen von einem sozialen Arbeitsmarkt ohne Barrieren und Hindernisse zum normalen Arbeitsmarkt. Die Grenzen zwischen sozialem Arbeitsmarkt und normalem Arbeitsmarkt sollen fließend sein.

Genau diese Grenzen ziehen Sie in Ihrem Antrag wieder ein, indem Sie sagen: Die Beschäftigung muss zusätzlich sein. - Was heißt denn „zusätzlich“? Das heißt, es ist keine normale Beschäftigung. Das heißt also, die Beschäftigung besteht darin, einen Laubhaufen von einer Stelle zu einer anderen zu schieben. Das macht keinen Sinn. Wir brauchen normale Beschäftigung, die nicht zusätzlich ist, die allen offensteht und mit der die Menschen gefördert werden können, die geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Das Gleiche gilt für die Frage, ob es nur um öffentlich geförderte Beschäftigung gehen soll. Kollegin Pothmer hat schon auf das Modell in Baden-Württemberg verwiesen, wo explizit und vorrangig private Unternehmen angesprochen werden. Das ist genau der richtige Weg. Wir müssen mit dem sozialen Arbeitsmarkt auch Beschäftigung fördern, die der auf dem ersten Arbeitsmarkt entspricht und marktgängig ist. Nur dadurch bekommen wir es tatsächlich hin, dass die Menschen am sozialen Arbeitsmarkt nicht in einem Sondersystem sind und stigmatisiert und ausgegrenzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt schon gute Beispiele

(Jutta Eckenbach (CDU/CSU): Welche denn?)

wie Nordrhein-Westfalen, wo die Grünen an einer rot-grünen Regierung beteiligt sind, und das Baden-Württemberger Modell - dort koalieren die Grünen mit der SPD -, wo diese Kriterien enthalten sind. In Hessen haben sich die Koalitionspartner Grüne und CDU diese Woche auf einen Einstieg in einen sozialen Arbeitsmarkt geeinigt, der auch diesen Kriterien entspricht. Das zeigt: Da, wo Grüne regieren, geht es in die richtige Richtung. Grün wirkt!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist der SPD, die auch Sympathien für den sozialen Arbeitsmarkt hat, auf Bundesebene nicht gelungen, die CDU zu überzeugen. Das haben wir, wie gesagt, in Hessen geschafft.

(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das schaffen wir auch noch!)

Ich fordere die Regierungskoalition noch einmal auf, sich einen Ruck zu geben. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Bundesländern, in denen die Grünen mitregieren! Denn nur dann, wenn wir es auf Bundesebene schaffen, den Passiv-aktiv-Transfer umzusetzen, kann es einen flächendeckenden sozialen Arbeitsmarkt geben, bei dem die Dauerarbeitslosen nicht mehr ausgegrenzt werden.

Vielen Dank.

 

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)