12.12.2019

Berichterstattung weiterentwickeln und alle Wohnungslosen statistisch erfassen

Wir und viele Wohlfahrtsverbände fordern es seit Jahren: Eine offizielle Statistik über Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit in Deutschland. Endlich wird die seit Jahren von uns Grünen vorgetragene Forderung nach einer bundesweiten Wohnungslosenstatistik Realität. Und doch ist es nur der Einstieg in eine Statistik: Wohnungslose die bei Bekannten oder Familie unterkommen oder auch Menschen die auf der Straße leben, werden nach jetzigem Stand aus der Statistik ausgeklammert. Hier muss die Bundesregierung nachbessern und so viele Gruppen wie möglich erfassen lassen. Wir haben deswegen einen eigenen Antrag gestellt, der Nachbesserungen fordert.

dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/157/1915783.pdf

 

 

Wohnungs- und Obdachlosigkeit stärker in den Fokus nehmen

Immer mehr Menschen finden keine Wohnung oder müssen auf der Straße leben. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG-W) hat jüngst ihre neuesten Schätzungen veröffentlicht: erneuter Anstieg der Betroffenen – und dieser traurige Trend ist seit vielen Jahren ungebrochen. 678.000 von ihnen waren im Verlauf des Jahres 2018 wohnungslos. Diese Menschen haben ein Dach über dem Kopf, leben in sozialen Einrichtungen oder bei Freundinnen, Bekannten und Verwandten. Sie verfügen jedoch nicht über eigenen Wohnraum. Die BAG-W schätzt außerdem, dass 41000 Personen auf der Straße leben, ohne jegliche Obdach. Insgesamt stieg die Zahl der betroffenen im Vergleich zum Vorjahr um 4,2% an. Immer mehr Frauen, Jugendliche und Familien mit Kindern sind betroffen. 

Wir Grüne fordern die Statistik seit vielen Jahren 

Diese Zahlen sind wertvoll, denn sie verraten uns einiges über die Struktur von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Dennoch sind es Schätzungen. Passgenaue Lösungen können nur entwickelt werden, wenn eine amtliche Statistik ein empirisches Fundament legt und der Bund den Rahmen vorgibt. Wir Grüne fordern die Wohnungslosenstatistik seit vielen Jahren. Endlich greift die Bundesregierung das auf und wagt den Einstieg. Aber es ist eben nur ein Einstieg. Denn erfasst werden sollen nur jene, die in Einrichtungen untergebracht sind. Menschen die privat Unterschlupf finden, bleiben außen vor. Damit entsteht die Gefahr einer Untererfassung.
Menschen die obdachlos sind, sollen ebenfalls nicht statistisch erfasst werden. Zwar ist eine, das Gesetz begleitende Berichterstattung, verstärkt zu Obdachlosigkeit geplant. Nichtsdestotrotz darf die Bundesregierung keine Anstrengungen unterlassen auch bei dieser Personengruppe zu einer statistischen Erfassung zu gelangen.
Eine weitere Gruppe, die aus der Statistik fällt, ist die der unmittelbar von Wohnungslosigkeit Bedrohten: Menschen die eine Kündigung erhalten haben und deren Wohnung kurz vor der Zwangsräumung steht. Im Sinne der Prävention braucht es auch hier Daten um passgenaue Lösungen zur Abwendung eines akut drohenden Wohnungsnotfalls entwickeln zu können.
Eine umfangreiche Statistik muss umsetzbar sein, aber gleichzeitig in ihren Merkmalen spezifisch: Was für Personen leben auf der Straße? Fallen diese Menschen aus den sozialen Sicherungssystemen weil es bisher keine ausreichenden sozialpolitischen Antworten gibt, wie z.B. für EU-Bürger*innen, die immer stärker von Straßenobdachlosigkeit betroffen sind? Welche anderen Formen der Unterbringung brauchen wir für Familien und junge Menschen? Besonders verletzliche Personengruppen wie Frauen, Jugendliche oder LSBTI*, brauchen daher unsere besondere Aufmerksamkeit. Auf der Straße werden sie oft Opfer von Gewalt oder sexueller Belästigung.  

Es ist Zeit für einen nationalen Aktionsplan gegen extreme Armut 

Deutschland ist ein reiches Land. Wenn immer mehr Menschen durch das System sozialer Sicherung fallen und letztlich sogar auf der Straße landen, dann ist das mehr als ein Indiz, dass sozialpolitisch so einiges falsch läuft. Wir wissen: die Ursachen sind komplex und entsprechend gibt es keine einfachen Antworten. Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen und gemeinsam mit Sozialverbänden und (ehemals) Betroffenen ein nationales Aktionsprogramm erarbeiten, das zum Ziel hat Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu bekämpfen und nachhaltig zu verhindern. Endlich ist das Thema stärker dort wo es hingehört: im Fokus der Politik. Wir Grüne sorgen dafür, dass es dort auch bleibt.