Den gesamten Antrag: Jahreswohlstandsbericht einführen Drs. Nr.: 18/7368 als PDF zum Download.
Der wirtschaftliche Erfolg in unserem Land kommt bei vielen Menschen nicht an. Weder die Einkommen noch die Zukunftschancen sind fair verteilt. Wir wirtschaften allzu oft auf Kosten von Mensch, Natur und Umwelt. Das schlägt sich aber im klassischen Wohlstandsmaßstab – dem Bruttoinlandsprodukt – nicht nieder. Ein umfassender Wohlstandsbericht, in dem neben ökonomischen auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen anhand messbarer Kriterien dargestellt werden, hilft dabei, die Debatte über Fehlentwicklungen und politische Handlungserfordernisse zu versachlichen und zu intensivieren. Wissenschaftlich fundierte Daten belegen den Eindruck, dass unser Wirtschaften nicht nachhaltig ist. So wird seit 2010 der Ökologische Fußbadruck in Deutschland wieder größer. Gemäß Prognosewert für 2015 sind damit alle Fortschritte seit etwa 20 Jahren wieder rückgängig gemacht. Der biologische Fußabdruck liegt deutlich über der Biokapazität. Deutschland verbraucht also deutlich mehr Naturkapital, als die ökologischen Grenzen es erlauben. Auch die Artenvielfalt hat sich seit 2008 noch einmal deutlich abgenommen. Der Erhalt der Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen leistungsfähigen Naturhaushalt und bildet eine wichtige Lebensgrundlage des Menschen. Die Einkommen sind im letzten Jahr so ungleich verteilt wie noch nie seit zwanzig Jahren. Diese Fehlentwicklungen untergraben die langfristigen Grundlagen unseres wirtschaftlichen Erfolges und des gesellschaftlichen Zusammenhalts, werden vom Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung aber bisher ignoriert.
Alle Bundestagsfraktionen diskutierten in der vergangenen Legislaturperiode zweieinhalb Jahre lang über ein neues Wohlstandsmaß in der Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität“. Ein zentrales Ergebnis dieser Kommission findet sich im Schlussbericht: „Ausgehend von der Erkenntnis, dass Wohlstand mehr ist als „Materieller Wohlstand“ empfiehlt die Enquete-Kommission dem Deutschen Bundestag, ein neues Wohlstands- und Fortschrittsmaß zu etablieren.“ Dieses Ergebnis wurde von allen Fraktionen beschlossen. Doch die Bundesregierung fixiert weiterhin zu sehr auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Maß für den Wohlstand in Deutschland. Auch durch den von der Bundesregierung eingeleiteten Prozess unter dem Titel „gut leben in Deutschland“ erhält der Auftrag für einen alternativen Wohlstandsbericht keine Unterstützung. Im Gegenteil: Dieser Prozess konterkariert bereits bestehende Konzepte, wie die nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Denn es werden ausschließlich Indikatoren auf der gesellschaftlichen Mikroebene betrachtet, die auf Zufriedenheit mit dem privaten und beruflichen Leben sowie das unmittelbare Lebensumfeld fokussieren. Indikatoren zur Betrachtung einer nachhaltigen Entwicklung auf der politischen Makroebene werden dagegen komplett ausgeblendet. Ein Wohlstandsbericht, der als neues politisches Instrument jedes Jahr im Januar den Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung ergänzt, ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte Diskussion der Wirkungen der Regierungsarbeit auch auf die Bereiche, die im Jahreswirtschaftsbericht - mit der Fokussierung auf die Entwicklung des BIP – ausgeblendet werden. Bei der Konzeption des Berichts ist es wichtig, ihn im Zusammenhang anderer Berichterstattungssysteme, wie z.B. zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, zu sehen und ihn hier schlüssig zu verorten. (...)
Der wirtschaftliche Erfolg in unserem Land kommt bei vielen Menschen nicht an. Weder die Einkommen noch die Zukunftschancen sind fair verteilt. Die wirtschaftliche Prosperität kann allzu oft nur auf Kosten von Mensch, Natur und Umwelt erhalten werden. Ein umfassender Wohlstandsbericht, in dem neben ökonomischen auch ökologische, soziale und gesellschaftliche Entwicklungen anhand messbarer Kriterien dargestellt werden, hilft dabei, die Debatte über Fehlentwicklungen und politische Handlungserfordernisse zu versachlichen und zu intensivieren.
Der grüne Wohlstandsbericht mit seinem vierdimensionalen Indikatorenset ist wesentliche Voraussetzung für gute Politik und damit ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema. Dazu ist es hilfreich, sich noch mal die wesentlichen Kritikpunkte am Bruttoinlandsprodukt zu vergegenwärtigen:
In unserem Ansatz geht es um harte ökonomische Fakten. Wir berücksichtigen auch Natur- und Sozialkapital, dessen Verfügbarkeit zum einen natürlich ein Wert an sich ist, zum anderen aber auch elementar für wirtschaftlichen Erfolg ist.
Der Ansatz der Bundesregierung birgt die Gefahr, dass er das bestehende Set der Indikatoren der bundesdeutschen Nachhaltigkeitsstrategie relativiert und alternative, wohlfahrtsbezogene und gemeinwohlorientierte Indikatorenkonzepte geradezu konterkariert.Sollte sich eine Strategie durchsetzen, bei der Indikatoren auf der gesellschaftlichen Mikroebene - die auf Zufriedenheit mit dem privaten und beruflichen Leben sowie das unmittelbare Lebensumfeld fokussiert - eine dominierende Rolle bekommen, dann würden Prozesse und Strategien der nachhaltigen Entwicklung auf der politischen Makroebene tendenziell an den Rand der öffentlichen Aufmerksamkeit gedrängt werden.
Der Grüne Wohlstandsbericht soll jährlich zeitgleich mit dem Jahreswirtschaftsbericht veröffentlicht werden
Der nun vorliegende grüne Wohlstandsbericht ist der Start einer regelmäßigen Untersuchung des Wohlstands in Deutschland. Der nächste Bericht wird Anfang des Jahres 2017 erscheinen. Längerfristiges Ziel ist es, den traditionellen Jahreswirtschaftsbericht und den Jahreswohlstandsbericht zu einer neuen Berichtsform zu verschmelzen.