13.04.2016
1. Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die staatlichen Leistungen zur Mindestsicherung fußen auf einer Vielzahl von Gesetzen, Verordnungen oder auch Verwaltungsvorschriften; als Beispiele seien hier nur die Sozialhilfe, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die Grundsicherung für Arbeitssuchende oder das Asylbewerberleistungsgesetz genannt. Das Leistungsrecht unterscheidet sich je nach Gesetz und ist auch selbst kompliziert. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es schwer nachzuvollziehen, ob ein Anspruch auf Leistungen besteht und welche Behörde letztlich für die Klärung verantwortlich ist. Viele Bürgerinnen und Bürger nehmen darum Leistungen nicht in Anspruch, die ihnen zustehen, sie vor Armut schützen oder ihre Teilhabe gewährleisten sollen. Diese Unübersichtlichkeit belastet aber auch die Menschen, die diese Gesetze umsetzen oder die Leistungsberechtigten beraten sollen - sei es in den Jobcentern, an den Gerichten oder in den Beratungsstellen. Ein zu hoher Anteil des Personals in den Jobcentern ist zudem mit der Bearbeitung der Anträge und der Berechnung von Leistungen, also mit reinen Verwaltungsaufgaben, beschäftigt. Darunter leidet die Beratung und Förderung der Leistungsbeziehenden. Eine Vereinfachung des Leistungsrechts und eine Entlastung der Jobcenter sind dringend geboten. Das ist jedoch kein Selbstzweck.
Eine Reform sollte auf folgende Ziele ausgerichtet werden:
1. Das Grundrecht auf Existenzsicherung muss zuverlässiger wahrgenommen werden können. Es muss zudem verständlicher werden, auf welche Leistungen Personen in welcher Situation Anspruch haben.
2. Die Jobcenter müssen von unnötiger Bürokratie befreit werden. Die Mitarbeiter sollen sich darauf konzentrieren können, die Leistungsberechtigten zu beraten und bei der Arbeitsmarktintegration durch passgenaue Hilfen und eine effektive Vermittlung zu unterstützen. Über eine Rechtsvereinfachung im Bereich der Grundsicherung hinaus sollten die Ämter zudem durch eine Stärkung der vorgelagerten Sicherungssysteme, insbesondere für Erwerbstätige, Familien, Menschen mit Behinderungen und in Bildungsphasen sowie Rentnerinnen und Rentner, entlastet werden. Dadurch müssten deutlich weniger Bürgerinnen und Bürger ihren Mindestbedarf über die Sozialhilfe bzw. die Grundsicherung decken.
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Rechtsvereinfachung wird diesen Zielen in keiner Weise gerecht. Es fehlt darin eine Reihe von Punkten, die in Wissenschaft, Praxis und Politik weitgehend Konsens sind. So sind sich fast alle Expertinnen und Experten darin einig, dass sowohl die verschärften Sanktionen für Unter-25-Jährige als auch Sanktionen, die die Kosten der Unterkunft betreffen, zweckwidrig und sehr verwaltungsaufwändig sind und zudem zu enormen sozialen Härten führen. Allein aus Rücksicht auf die CSU wurde auf dieses Mindestmaß an Reformen der Sanktionen verzichtet. Zudem bleiben auch die Träger bzw. die Vertreter der Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, also die Bundesagentur für Arbeit, der Städtetag und der Landkreistag ungehört. Sie setzten sich erfolglos für eine Umstellung der Einkommensanrechnung von Partnerinnen und Partnern nach dem Vorbild der Grundsicherung im Alter und der Sozialhilfe ein. Dabei könnten sich die Jobcenter dadurch bei diesen Bedarfsgemeinschaften auf die Betreuung derjenigen konzentrieren, die tatsächlich Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt benötigen.
Nur ein Teil der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen würde tatsächlich dazu führen, dass der Verwaltungsaufwand der Jobcenter sinkt. Dieses Ziel würde jedoch häufig nur um den Preis erreicht, dass die Berechtigten Leistungseinschränkungen hinnehmen müssten oder ihre Bedarfe ggf. nicht zuverlässig decken könnten. So soll die Einkommensanrechnung während des Mutterschutzes vereinfacht werden. Jedoch um den Preis, dass bei den werdenden Müttern, die geringfügig beschäftigt waren, ein Einkommen angenommen werden soll, welches diese gar nicht beziehen. Viele der geplanten Änderungen sind zudem keine Rechtsvereinfachungen, sondern Verschärfungen. So soll der rückwirkende Anspruch auf rechtmäßig zustehende Leistungen noch weiter eingeschränkt werden.
Insgesamt hat die Bundesregierung mit der geplanten Reform eine große Chance vertan.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf für eine Reform des Leistungsrechts vorzulegen, der das Grundsicherungssystem vereinfacht, die Jobcenter entlastet und gleichzeitig die Interessen der Leistungsberechtigten berücksichtigt. Der Gesetzentwurf sollte folgenden Anforderungen genügen:
1. Die Jobcenter müssen sich auf jene Bürgerinnen und Bürger konzentrieren können, die tatsächlich die Beratung und Unterstützung benötigen, die im Rahmen der Grundsicherung angeboten werden und für die Integration in den Arbeitsmarkt notwendig sind. Durch die Stärkung von vorgelagerten Sicherungssystemen muss insbesondere verhindert werden, dass
a. Familien nur deswegen bedürftig werden, weil sie Kinder haben und sie der Kinderzuschlag unzureichend absichert;
b. Erwerbstätige nur deshalb bedürftig sind, weil ihre Wohnkosten zu hoch sind und das Wohngeld sie unzureichend absichert;
c. Auszubildende nur deshalb bedürftig werden, weil sie durch BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe unzureichend abgesichert werden;
d. Alleinerziehende nur deshalb bedürftig sind, weil der steuerliche Familienlastenausgleich vor allem Ehepaare entlastet.
2. Die Leistungen zur Mindestsicherung müssen übersichtlicher und einfacher werden. Dazu sollen bei sachlich gleichen Tatbeständen die verschiedenen Grundsicherungsleistungen einander angeglichen und willkürliche Sonderregeln außer Kraft gesetzt werden. Insbesondere soll
a. die Grundsicherung zu einer individuellen Leistung weiterentwickelt werden, indem die Einkommensanrechnung von Partnerinnen und Partnern in Paarhaushalten bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende wie bei der Sozialhilfe oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erfolgt und dadurch sichergestellt werden, dass bei Paaren nur noch die Person vom Jobcenter betreut werden muss, die kein für sich ausreichendes Einkommen erzielt;
b. Widersprüche und Klagen wie im übrigen Sozialrecht, eine aufschiebende Wirkung haben und
c. bei rechtswidrigen Leistungsbescheiden die Ansprüche der Leistungsberechtigten nicht von der Praxis der Jobcenter abhängig gemacht werden;
3. Die Sanktionen müssen so ausgestaltet werden, dass der Grundbedarf von Sanktionen ausgenommen wird und die Jobcenter durch einfachere Regeln entlastet werden. Dazu sollen die Sanktionen bis zu ihrer umfassenden Evaluierung und der Stärkung der Rechte der Arbeitsuchenden ausgesetzt werden oder zumindest
a. die Sonderregeln bei den Sanktionen für unter 25-Jährige abgeschafft sowie
b. die Kosten der Unterkunft und Heizung von Sanktionen ausgenommen werden;
4. Bedarfe, deren Gewährleistung heute einen besonders großen Verwaltungsaufwand verursachen, oder die derzeit nur unzuverlässig gedeckt werden können, sollten einfacher und besser abgesichert werden. Dazu sollte
a. die Übernahme der Wohnungs- und Stromkosten einfacher, weniger streitanfällig und kostendeckend geregelt werden, indem insbesondere
i. gesetzliche Rahmenbedingungen und Mindeststandards für die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft entwickelt werden und sichergestellt wird, dass die Kosten für angemessene Wohnungen auch nach einem Umzug übernommen werden;
ii. eine ausreichende, zusammen mit der jährlichen Regelsatzanpassung angepasste und aus dem Regelsatz ausgelagerte Stromkostenpauschale eingeführt wird und
iii. die Umzugsbeschränkungen für Unter-25-Jährige abgeschafft werden;
b. das Bildungs- und Teilhabepaket abgeschafft werden und
i. die Leistungen zum Teil im Regelsatz und zum Teil durch einen kostenlosen Anspruch auf Sachleistungen durch eine verbesserte Infrastruktur gewährt werden und bis dahin
ii. die Jobcenter und die Leistungsberechtigten dadurch entlastet werden, dass der Antrag auf notwendige Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket bundesweit einheitlich als mit dem Hauptantrag auf SGB-II-Leistungen gestellt gilt;
c. eine unbürokratische und bedarfsdeckende Lösung für die Bedarfe der Kinder, die zwischen den Haushalten ihrer getrennt lebenden Eltern wechseln, eingeführt werden und dabei
i. eine für die Verwaltung einfach zu handhabende Unterscheidung zwischen den Fällen, bei denen sich die Kinder in beiden Haushalten in annährend gleichem Umfang und denen, in denen sie sich in einem der beiden Haushalte überwiegend aufhalten, eingeführt werden und
ii. bei den Eltern, bei denen das Kind überwiegend in einem der Haushalte ist, diesem Elternteil der komplette Regelsatz des Kindes ausgezahlt und dem anderen Elternteil ein Umgangsmehrbedarf gewährt werden, sofern sich das Kind mehr als tageweise in dem zweiten Haushalt aufhält und
iii. den Eltern, bei denen das Kind in annähernd hälftigen Anteilen zwischen den Haushalten wechselt, der Regelsatz auf beide Elternteile aufgeteilt und beiden Eltern ein hälftiger Mehrbedarf gewährt werden;
5. Die Berechnung der Leistungsansprüche sowie der Darlehens- und Rückzahlungsregeln muss für die Jobcenter einfacher gestaltet werden und dazu müssen insbesondere
a. Bagatellgrenzen für Rückzahlungs- und Ersatzansprüche eingeführt werden;
b. die derzeitigen monatlichen Freibeträge für Kapitaleinkommen durch einen jährlichen Freibetrag in Höhe von 120 Euro ersetzt werden und
c. bei vorzeitigem Verbrauch einmaliger Leistungen Hilfen zum Lebensunterhalt weiterhin als Zuschuss und nicht als Darlehen gewährt werden.
Berlin, den 12. April 2016 Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion
Zu Nummer 1:
Durch einen Ausbau der vorgelagerten Sicherungssysteme wäre es möglich, dass ein erheblicher Teil der Menschen die derzeit Grundsicherungsleistungen beziehen, nicht mehr auf diese angewiesen wären. Die Jobcenter würden insbesondere dadurch entlastet, wenn sie keine Erwerbstätigen, die zurzeit nur deswegen Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehen, weil sie Kinder und/oder hohe Wohnkosten haben, und keine Auszubildenden betreuen müssten.
Zu Nummer 2:
Die unterschiedlichen Grundsicherungsleistungen sind in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Dabei gelten für gleiche Sachverhalte oftmals unterschiedliche Regeln. Das macht das Sozialrecht nicht nur unnötig kompliziert und verwaltungsaufwändig, sondern auch intransparent. So wird bei der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter Einkommen von Partnerinnen und Partnern in anderer Weise angerechnet als beim Arbeitslosengeld II. Bei der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter wird das Einkommen zunächst nur bei der Person angerechnet, die das Einkommen bezieht und nur der Teil, der dar- über hinausgeht auf die übrigen Familienmitglieder verteilt. Dadurch sind nur diejenigen bedürftig, die auch wirklich kein für sich ausreichendes Einkommen beziehen. Beim Arbeitslosengeld II wird jegliches Einkommen auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Dadurch werden alle bedürftig und müssen auch alle von den Jobcentern betreut werden. Und zwar selbst dann, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ein Erwerbseinkommen erzielt, dass für dieses selbst ausreichend wäre. Das sorgt bei den Jobcentern für einen unnötigen Verwaltungsaufwand, der durch eine Weiterentwicklung hin zu Individualisierung der Leistungen vermieden würde. Für alle Sozialleistungsbereiche sind im Sozialgesetzbuch I gemeinsame Vorschriften und im Sozialgesetzbuch X die Verwaltungsverfahren geregelt. Davon abweichend wurden nach und nach immer neue Sonderregeln und Ausnahmenregeln bei der Grundsicherung eingeführt. Diese Sonderregeln sind häufig für die Betroffenen diskriminierend. Und auch von den Verwaltungen muss jeweils geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Ausnahmen vorliegen. So wurde der Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen und Anfechtungsklagen mit Wirkung vom 1. Januar 2009 auf fast alle Entscheidungen der SGB-II-Leistungsträger ausgeweitet. Im Gegensatz zu Rechtsschutzsuchenden anderer Bereiche des öffentlichen Rechts wird Bezieherinnen und Beziehern von existenzsichernden Leistungen somit ein geringerer Rechtsstatus eingeräumt. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen führt zudem zu einer verstärkten Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz durch die Sozialgerichte und belastet diese somit zusätzlich. Auch in dem Gesetzentwurf zur Rechtsvereinfachung plant die Bundesregierung wieder diskriminierendes Sonderrecht. Nachdem das Bundessozialgericht in seinen Urteilen vom 15.12.2012 – B 14 AS 61/09 R und vom 21.06.2011 – B 4 AS 118/10 R einen Ausschluss rückwirkender Korrekturen nur noch für die Fälle erlaubt hat, in denen das Recht bundesweit einheitlich falsch ausgeübt wurde, sollen jetzt mit dem neu eingefügten § 40 Abs. 3 SGB II rückwirkende Korrekturen auch dann ausgeschlossen werden, wenn lediglich der jeweilige Träger das Recht einheitlich falsch ausgeübt hat. Diese Regeln sind diskriminierend und völlig unnötig, da es für die anderen Sozialgesetzbücher geltende Regeln für die Fehlerkorrektur gibt (Vergl. § 44 SGB X), die auch beim SGB II angewendet werden sollten.
Zu Nummer 3:
Die derzeit angewendeten Sanktionsregeln führen zu einem hohen Verwaltungsaufwand. Zudem können sie dazu führen, dass den Bezugsberechtigten nicht mehr ausreichend Mittel für die Existenzsicherung zur Verfügung stehen. Aus diesen Gründen besteht ein weitgehender Konsens der Expertinnen und Experten diese zu vereinfachen. In der Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat allein der Vertreter des Bundeslandes Bayern gegen die in diesem Rahmen vorgeschlagenen Vereinfachungen gestimmt. Auch im Bundestag wurde aus den Reihen der CDU Reformbereitschaft signalisiert (vergleiche die Stellungnahme des Abgeordneten Karl Schiewerling in der FAZ vom 29.10.2015), während die CSU blockiert hat. Dabei werden die derzeitigen Sanktionsregeln schon längst auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive problematisiert. Auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Vorsorge betont, dass berücksichtigt werden muss, dass die Sanktionen „innerhalb eines existenzsichernden Leistungssystems“ stattfinden und insoweit „eine entsprechend verantwortungsbewusste Handhabung der leistungsrechtlichen Reaktionen notwendig ist“ (Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Reform des SGB II, DV 26/12 AF III, S. 3). Ausführlich zu den Sanktionen siehe die Bundestagsdrucksache 18/1963.
Zu Nummer 4a:
Die Kosten für Unterkunft und Heizung sind sehr oft Gegenstand behördlicher und gerichtlicher Auseinandersetzungen. Gründe dafür liegen in unflexiblen, den Realitäten auf den lokalen Wohnungsmärkten nicht gerecht werdenden Regeln für die Kostenerstattung. Auch ist zu beobachten, dass die Entwicklung den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügender Angemessenheitsgrenzen für viele Kommunen sehr anspruchsvoll ist. Der Bundesgesetzgeber sollte deswegen gesetzliche Rahmenbedingungen und Mindeststandards für die Angemessenheit entwickeln. Streitanfällig und für die Leistungsberechtigten einengend ist ebenfalls die Frage, welche Wohnungskosten nach einem Umzug übernommen werden. Derzeit kann Leistungsberechtigten die Übernahme der gesamten Wohnkosten verwehrt werden, selbst wenn die neue Wohnung nach der lokalen Satzung angemessen ist. Die Entwicklung der Stromkosten in den letzten Jahren zeigt, dass diese sich deutlich dynamischer entwickeln als die anderen Lebenshaltungskosten. Eine zeitnähere und an den tatsächlichen Kosten orientierte Anpassung führt deswegen zu bedarfsgerechteren Leistungen. Zudem hat die Einführung einer Stromkostenpauschale den Vorteil, dass dadurch für die Leistungsberechtigten transparenter wird, dass sich für sie Stromsparen lohnt. Auch in diesem Bereich gibt es Sonderregeln, die das Leistungsrecht kompliziert machen und die Leistungsberechtigten unnötig gängeln. So drohen unter-25-jährigen Erwachsenen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen, Leistungskürzungen, wenn sie bei ihren Eltern ausziehen, ohne dass das zuständige Jobcenter dies genehmigt hat. Eine solche Sonderregel diskriminiert die jungen Erwachsenen und ist abzuschaffen.
Zu Nummer 4b:
Das Bildungs- und Teilhabepaket verursacht sowohl bei den Jobcentern als auch in den Schulen einen immensen und in keinem Verhältnis zu den Leistungen stehenden bürokratischen Aufwand. Es ist auch höchst ungeeignet das Existenzminimum in ausreichendem Maße abzudecken. So erhalten viele Anspruchsberechtigte die Leistung nicht und auch die Höhe der Leistungen ist nicht bedarfsdeckend. Kosten für z.B. nicht in Vereinen organisierte Freizeitaktivitäten werden nicht erstattet. Auch wurden Kürzungen beim Regelsatz für Leistungen vorgenommen, die über das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt werden sollen. Davon sind Jugendliche betroffen, die nicht (mehr) zur Schule gehen und keinen Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen haben.
Zu Nummer 4c:
Eine im Vergleich zur heutigen tageweisen Abrechnung für die Verwaltung erheblich weniger aufwändige Lösung für die getrennten Eltern mit zwischen den Haushalten wechselnden Kindern wäre es, zwischen Haushalten, bei denen sich das Kind „überwiegend“ in einem der Haushalte aufhält und Haushalten, in denen sich das Kind in „annähernd hälftigen Anteilen“ in beiden Haushalten aufhält, zu unterscheiden. Darauf aufbauend könnte den Eltern, bei denen sich das Kind überwiegend in einem der Haushalte aufhält, der komplette Regelsatz des Kindes ausgezahlt und dem anderen Elternteil ein Umgangsmehrbedarf gewährt werden, sofern sich das Kind mehr als tageweise in dem zweiten Haushalt aufhält. Und bei den Eltern, bei denen das Kind in annähernd hälftigen Anteilen zwischen den Haushalten wechselt, könnte der Regelsatz hälftig auf beide Elternteile aufgeteilt und beiden Eltern ein hälftiger Umgangsmehrbedarf gewährt werden. Auf diese Weise könnte die Deckung der existenziellen Bedarfe der Kinder in beiden Haushalten gesichert werden. Denn für jeden Haushalt, in dem die Kinder mehr als tageweise sind, müssen zum Beispiel Betten und Schreibtische angeschafft werden und ein Schlafanzug bereit liegen. Die Realisierung gemeinsamer Elternverantwortung darf dabei nicht zu Lasten der Existenzsicherung von Kindern gehen.
Zu Nummer 5:
Es ist nicht verständlich, warum bei der Grundsicherung auf Pauschalen oder Bagatellgrenzen verzichtet wird, wenn dies die Verwaltung entlasten und zugleich die Leistungsberechtigten besser stellen würde. Der Verwaltungsaufwand z.B. bei Rückforderungen durch Jobcenter, die im einstelligen Euro-Bereich liegen, steht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Auch die Ersetzung der derzeitigen monatlichen Freibeträge für Kapitaleinkommen durch einen jährlichen Freibetrag in Höhe von 120 Euro würde die Verwaltung entlasten. Nach Rechtslage wird derzeit bei vorzeitigem Verbrauch einmaliger Einkommen und bei gleichzeitig bestehendem Bedarf ein Zuschuss zum Lebensunterhalt gewährt. Die Bundesregierung will dies laut Referentenentwurf ändern und nur noch Darlehen gewähren. Das lehnen wir ab. Eine solche Regelung ist aufwändiger für die Verwaltung, da die Jobcenter die Rückzahlung der Darlehen einfordern müssen. Und sie entspricht auch nicht der Rechtsprechung. Das Bundessozialgericht hat festgestellt, dass einmalige Einnahmen, die im Bedarfszeitraum nicht mehr oder nur teilweise zur Verfügung stehen, keine „bereiten Mittel“ sind, die geeignet sind, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken. Überdies haben die Jobcenter bei schuldhafter Herbeiführung der Notlage oder bei unwirtschaftlichem Verhalten mit einer Ersatzforderung nach §34 SGB II oder der Verhängung einer Sanktion nach § 31 Abs. 2. Nr. 1 und 2 SGB II bereits ausreichend Reaktionsmöglichkeiten.