17.12.2015

Modernisierung des Vergaberechts

Jeder sechste Euro in der Europäischen Union wird in der öffentlichen Vergabe umgesetzt. Allein in Deutschland kauft die öffentliche Hand im Jahr Güter im Wert von etwa 320 Milliarden Euro ein. Die öffentliche Vergabe ist deshalb ein machtvolles Instrument, mit dem die öffentliche Hand der Wirtschaft Leitlinien und einen Rahmen gibt. Mit der Lenkungsfunktion der öffentlichen Auftragsvergabe geht deshalb auch eine Lenkungsverantwortung der öffentlichen Hand einher. Zudem hat die öffentliche Hand hier eine Vorbildfunktion inne – gegenüber Unternehmen, den Verbraucherinnern und Verbrauchern und den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der europäische Gesetzgeber hat den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe mit einem Richtlinienpaket reformiert. Dieses umfasst die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinie 2014/24/EU), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Richtlinie 2014/25/EU) und die Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (Richtlinie 2014/23/EU). Diese Richtlinien sind bis zum 18. April 2016 in deutsches Recht umzusetzen. In vielen Punkten weist der europäische Gesetzgeber dabei in die richtige Richtung und eröffnet dem Vergaberecht neue Spielräume. Dazu zählen etwa die stärkere Berücksichtigung qualitativer Kriterien zusätzlich zum Preis einer Leistung, die Stärkung einer ressourcenschonenden und fairen Art zu wirtschaften und zu handeln, Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Drucksache 18/7092 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode oder eine vereinfachte Vergabe für kleine und mittlere Unternehmen. Die EU-Richtlinie 2014/24/EU erhebt soziale und ökologische Kriterien zu Vergabegrundsätzen und schafft damit Rechtssicherheit in Bezug auf soziale und ökologische Kriterien in verschiedenen Phasen des Vergabeprozesses. Mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung dieser Richtlinien vorgelegt (VergRModG-E). Dieser bleibt jedoch deutlich hinter den Möglichkeiten zurück, die durch die EU-Seite er- öffnet wurden.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat anlässlich des Gesetzesvorhabens der Bundesregierung zwei Entschließungsanträge vorgelegt:

Entschließungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts Drs. 18/7092

Speziell auf den Bereich der Vergabe bei den sozialen Dienstleistungen geht der Entschließungsantrag zum Entwurf eine Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts Drs. 18/7091 ein:

Auszug:

Personenbezogene Dienstleistungen müssen individuell und passgenau ausgestaltet sein, um erfolgreich zu wirken. Dies gilt vor dem Hintergrund heterogener und zunehmend komplexer Problemlagen vieler Arbeitsloser gerade auch im Bereich der Arbeitsförderung. Aus diesem Grund steht die Anwendung des jetzigen Vergaberechts bei arbeitsmarktpolitischen Dienstleistungen seit langem in der Kritik. Dabei werden Verfahren angewendet, die für technische Aufträge oder die Anschaffung von Computern und Büromöbeln konzipiert wurden – nicht aber dafür, Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Durch das Nachfragemonopol der Bundesagentur für Arbeit bzw. der Jobcenter und die Zentralisierung des Einkaufs hat ein Qualitäts- und Preisverfall stattgefunden, der zu standardisierten Massenmaßnahmen und einem Innovationsstau statt zu hochwertigen Angeboten führt. Die Prozesse sind intransparent, und bei der Zuschlagserteilung vornehmlich der Preis und nicht die Qualität der Angebote ausschlaggebend. Zu beobachten ist eine Marktkonzentration.

Diese Kritik teilen nahezu alle Akteure, Verbände, Institutionen und Gewerkschaften, die an der Erbringung von Arbeitsmarkt- und sozialen Dienstleistungen beteiligt sind. Diese haben sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen, um die anstehende Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts in Deutschland zu begleiten. Die EU-Richtlinien werden grundsätzlich sehr Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Drucksache 18/7091 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode begrüßt. Darin werden die Besonderheiten von sozialen Dienstleistungen anerkannt und neue Spielräume eröffnet, mit denen diesen spezifischen Bedarfen Rechnung getragen werden können. Im nun vorgelegten Entwurf des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes werden die gegebenen Spielräume jedoch bei weitem nicht ausgeschöpft. Damit wird die Bundesregierung auch ihren selbstgesteckten Zielen nicht gerecht. Sie hatte in ihren im Januar 2015 im Kabinett beschlossenen Eckpunkten zum einen die „eins zu eins“- Umsetzung der EU-Richtlinien in deutsches Recht und zum anderen ein deutlich erleichtertes Vergabeverfahren für soziale Dienstleistungen angekündigt. Beide Versprechen werden mit dem Gesetzentwurf nicht eingelöst. Das kritisiert auch das Bündnis.

Mit unseren Forderungen stehen wir Seite an Seite mit einem großen Bündnis aus Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden, Trägern u.v.m. Wir teilen ihre Kritik an der bestehenden Praxis und den Auswirkungen auf die Qualität der sozialen Dienstleistungen