In Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum der Kinder führte die Schwarz-Gelbe Koalition unter Beteiligung der SPD das Bildungs- und Teilhabepaket zum 1. Januar 2011 ein. Die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket umfassen neben der Kostenerstattung für Schulausflüge oder für Lernförderung auch die Auszahlung eines Pauschalbetrages zur Deckung des persönlichen Schulbedarfes. Der vom Gesetzgeber festgelegte Schulbedarf beträgt 100 € jährlich, gesplittet in zwei Zahlungen von 70 € zum Schuljahresbeginn und 30 € zum Schulhalbjahr.
Das Bildungs- und Teilhabepaket kommt jedoch nicht aus der Kritik. Es belastet Leistungsbeziehende, Grundsicherungsämter und Schulen und andere Träger allesamt mit einem ausufernden bürokratischen Aufwand. Zudem bezieht nur ein kleiner Teil der Menschen, die einen Anspruch auf diese Leistungen hätten, die Leistungen tatsächlich. Und auch der Umfang der Leistungen ist nicht ausreichend. So wurden zum Beispiel die Kosten für den Schulbedarf nie von der Bundesregierung ermittelt und seit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets sind sie nicht mehr angehoben worden. Nun liegen erstmals repräsentativ ermittelte Daten zu den tatsächlich anfallenden Schulbedarfen vor. Laut der Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (http://www.diakonie-in-niedersachsen.de/pages/presse/pressemeldungen/index.html) übersteigen in Niedersachsen die tatsächlichen Kosten des Schulbedarfes die im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes erstatteten Schulbedarfe bei weitem.
Die Bundesregierung sieht jedoch keinerlei Anlass auf die offensichtlichen Missstände zu reagieren. Im Gegenteil sie negiert das Problem und dies zum Teil auf widersprüchliche Art und Weise.
So schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage, dass aus ihrer Sicht ein Teil der Bedarfe, die der Studie der Diakonie zu Grunde gelegt worden sind, über den Regelbedarf abgedeckt werden. Sie gibt jedoch zu, dass wegen der Einführung des Bildungs- und Teilhabepaketes bestimmte Positionen vom Regelbedarf der Kinder abgezogen wurden. Welche Schulbedarfe nun über den Regelsatz und welche über das Schulbedarfspaket im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes abgedeckt werden, darüber gibt sie keine Auskunft. Eine insgesamt angemessene Erstattung von Bildungs- und Teilhabekosten erscheint äußerst fragwürdig. Auch deshalb, weil im Regelsatz für 7- bis 14-jährige Kinder für Bildungsausgaben nur 1,16 € pro Monat vorgesehen sind und für 15- bis 18-jährige Kinder nur 0,29 € pro Monat.
Es erscheint zudem durchaus widersprüchlich, dass die Bundesregierung einerseits bestätigt, dass über das Bildungs- und Teilhabepaket und damit auch über das Schulbedarfspaket – zumindest teilweise – notwendige existenzsichernde Bedarfe abgedeckt werden, dann jedoch die Auffassung vertritt, dass die über das Schulbedarfspaket abgesicherten notwendigen Bedarfe keiner Preissteigerung unterlägen und auch keiner empirischen Fundierung bedürften. Die Bundesregierung ist also der Auffassung: alles wird teurer, nur zufälligerweise die Kosten für die Leistungen nicht, die über das Schulbedarfspaket erstattet werden. Genaues weiß sie allerdings auch nicht. Das ist ein mehr als fahrlässiges Spiel mit der Zukunft der Kinder aus einkommensarmen Familien.
In der inhaltlich mehr als spärlichen Antwort der Bundesregierung wird zudem die Verantwortung auf die Länder abgewälzt, die – so legt es die Antwort nahe – in der Verantwortung stünden, Vorschläge für eine bedarfsgerechte Terminierung der Leistungen zu machen oder den Verwaltungsaufwand zu vermindern. Dass es sich hierbei um Bundesgesetze handelt und ebendiese für das Verwaltungsmonstrum verantwortlich sind, scheint der Bundesregierung entgangen zu sein. Klar ist: die Bundesregierung will sich bei der Armutsbekämpfung mal wieder einen schlanken Fuß machen. Es ist ein Skandal, dass Teilhabe für Kinder und auch nur ein Minimum an Chancengerechtigkeit in der Schule auf diese Weise verunmöglicht wird.
Das Bildungs- und Teilhabepaket gehört abgeschafft. Die Leistungen müssen zum einen im Rahmen der regulären Regelsatzleistungen erbracht werden und andererseits muss der quantitative und qualitative Ausbau der Bildungs- und Teilhabeeinrichtungen so vorangebracht werden, dass allen Kindern und Jugendlichen gleichermaßen eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Teilnahme ermöglicht wird. Ein wichtiger erster Schritt wäre, dass den Schulkindern aus einkommensarmen Haushalten endlich die wirklich anfallenden Schulbedarfe erstattet werden.