Rede | 03.02.2020

Steuerentlastung? So nicht!

Deutscher Bundestag, Sitzung vom 31.01.2020
Tagesordnungspunkt: Steuerentlasdtungsgesetz 2020

Rede von Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Mitglied im Finanzausschuss

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP stellt regelmäßig Anträge, die mit der Einkommensteuer zu tun haben. Bei zwei Punkten kann man sich immer sicher sein: Erstens. Bundestagsabgeordnete sollen weniger Steuern zahlen.

(Bettina Stark-Watzinger (FDP): Haha!)

Und zweitens: Es wird teuer. Sie schreiben in Ihren Gesetzentwurf nicht rein, wie viel es kostet, da steht nur der lapidare Satz, es wird „zu Mindereinnahmen im Bundeshaushalt oder in den Haushalten von Ländern oder Kommunen führen“ - dabei müsste es nicht „oder“, sondern „und“ heißen, weil es bei Bund, Ländern und Kommunen zu geringeren Steuereinnahmen führt -, aber eine Zahl nennen Sie nicht. Das ist gänzlich unseriös für einen Gesetzentwurf.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Antje Tillmann (CDU/CSU))

10 Milliarden Euro sind es bestimmt, um die Sie entlasten wollen, oder sogar um 30 Milliarden Euro mit Solidaritätszuschlag, wie der Kollege De Masi eben gesagt hat. Klar ist: Es wäre weniger Geld vorhanden für Investitionen, weniger Geld für Bildung und weniger Geld für sozialen Zusammenhalt. Schon deswegen ist der Gesetzentwurf ein Problem.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Jetzt komme ich dazu, wer wie entlastet wird, und das alles, weil Sie Bundestagsabgeordnete entlasten wollen. 3 000 Euro weniger Steuern sollen wir nach Ihrem Gesetzentwurf jedes Jahr zahlen. Rechnen Sie das einmal selber aus! 250 Euro im Monat wollen Sie jedem von uns schenken. Trotzdem werden wir dem nicht zustimmen.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun sagen Sie: Es sollen auch Bezieher kleiner Einkommen entlastet werden. - Richtig, jemand mit 10 000 Euro zu versteuerndem Einkommen wird auch entlastet, und zwar um 71 Cent pro Jahr. 71 Cent pro Jahr! Das sind fast 6 Cent im Monat. Bei 20 000 Euro ist das schon ein bisschen mehr. Dann sind es schon 7 Euro im Monat. Bei 30 000 Euro - dann sind wir schon in der Mitte der Gesellschaft - ist es nach Ihrem Gesetzentwurf eine Entlastung um 25 Euro im Monat. Das ist ein Zehntel dessen, was nach Ihrem Gesetzentwurf ein Bundestagsabgeordneter weniger zahlen soll.

(Christian Dürr (FDP): Sie nehmen Arbeiter und Facharbeiter in Geiselhaft!)

Das ist nicht gerecht. Das werden wir so nicht unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Wenn man entlasten will - und wir müssen entlasten -, dann ist es wichtig, sich die Realität anzuschauen. Dazu gibt es ein schönes Schaubild des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Es zeigt den sogenannten Wal in der Badewanne.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Was sagt uns dieser Wal? Der Wal sagt, dass schon bei unteren Einkommen die Belastung tatsächlich relativ hoch ist. Dagegen machen Sie fast nichts. Bei hohen Einkommen sinkt die Belastung mit steigendem Einkommen. Da müsste man eigentlich herangehen. Aber da wollen Sie noch stärker entlasten.

Vizepräsident Wolfgang Kubicki:

Herr Kollege, darf ich Sie kurz unterbrechen? - Es ist nicht erwünscht, dass Sie mit solchen Schaubildern arbeiten, vor allem deshalb nicht, weil die Protokollführer Schwierigkeiten haben, das, was Sie zeigen, stenografisch festzuhalten.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich habe schon andere Schaubilder gesehen. Aber Sie haben den Wal jetzt sicherlich im Kopf.

Bei den unteren Einkommen sieht man: Mit geringerem Einkommen steigt die Entlastung. Auch da müsste man herangehen.

(Christian Dürr (FDP): Was schlagen Sie denn vor? Nicht ein Vorschlag!)

Wenn man entlasten will - genau, das ist unser Vorschlag -, dann reicht es nicht, zu sagen: „Mehr Netto vom Brutto“, sondern man muss weitergehen und bei denen im unteren Einkommensbereich noch etwas drauflegen.

(Christian Dürr (FDP): Wo ist denn Ihre Initiative dazu?)

Man muss dazu kommen, dass die Menschen im unteren Einkommensbereich nicht Geld an das Finanzamt zahlen, sondern Geld vom Finanzamt bekommen. Mehr netto als brutto!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist die Lösung und nicht mehr Netto vom Brutto.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)