Rede | 10.09.2020

Familienentlastungsgesetz: Geringverdiener gehen leer aus

wurzelwerkRede vom 10.09.2020 auf der 173. Sitzung des Deutschen Bundestages

Erste Beratung des Gesetzentwurfs eines zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien und zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge 

Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Entlastung von Familien ist sehr richtig; aber man muss das sozial gerecht und richtig machen. Es ist in der Tat in diesem Gesetz wieder so wie üblich bei der Großen Koalition: Wir als Bundestagsabgeordnete werden stärker entlastet als Normalverdiener; Leute, die noch mehr verdienen, werden noch stärker entlastet; und wer am meisten verdient, wird am meisten entlastet.

(Antje Tillmann (CDU/CSU): Das ist einfach nicht wahr!)
Das ist sozial ungerecht, und das könnte man besser machen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben dazu schon lange einen Vorschlag gemacht: die Kindergrundsicherung. Das funktioniert so, dass wir sagen: Der Kinderfreibetrag soll in einen Auszahlbetrag umgewandelt werden. Dieser Auszahlbetrag soll an
die Kinder ausgezahlt werden, nicht mehr an die Eltern. Das wäre sozial gerecht und würde dazu führen, dass Menschen mit mittlerem Einkommen endlich so viel kriegen wie die Reichsten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um die Gerechtigkeitslücke an der Stelle endlich zu verkleinern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu der Kindergrundsicherung gehört dann auch, dass im unteren Bereich ein GarantiePlus-Betrag, wie wir ihn genannt haben, dazugehört, der einkommensabhängig ist, der aber automatisch ausgezahlt wird und nicht wie
der jetzige Kinderzuschlag mit einem riesigen bürokratischen Brimborium an den meisten, die einen Anspruch darauf haben, vorbeigeht. Deswegen: automatische Auszahlung für die Menschen mit geringem Einkommen. Das würde nachhaltig auch Kinderarmut stärker verringern. So würde man Kinder und Familien am besten entlasten: mit einer Kindergrundsicherung, mit einem Garantiebetrag, mit dem wir sagen: „Jedes Kind ist uns gleich viel wert“, und mit einer stärkeren Unterstützung für untere Einkommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass es geht, haben Sie bei dem Kinderbonus ja gezeigt; da erfolgt eine Verrechnung mit dem Kinderfreibetrag. Bei Hartz-IV-Beziehern wird der Kinderbonus nicht angerechnet. Da haben Sie was Richtiges gemacht. Aber - Frau Tillmann hat es ja eben schon gesagt - das war anscheinend ein Ausrutscher;
(Antje Tillmann (CDU/CSU): Das habe ich so nicht gesagt!)

jetzt wird es wieder ausgeglichen. Die Reichen kriegen jetzt wieder mehr, und die Armen kriegen nichts. Liebe SPD, sozialer Ausgleich geht anders als so, wie Sie das jetzt hier machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss noch zwei Sätze zu dem zweiten Gesetzentwurf, der hier vorliegt: Verdopplung des Behinderten-Pauschbetrags - das klingt gut, ist auch erst mal gut. Aber – es ist schon gesagt worden – das erste Mal angepasst seit 1974, das ist definitiv zu wenig. Also, wenn die FDP schon sagt: „Das ist zu wenig“, dann ist das wohl sehr, sehr überzeugend.
(Beifall der Abg. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– Zuruf von der FDP: Was soll denn das heißen?)

Es ist trotzdem richtig, ihn zu verdoppeln; das werden wir auch unterstützen. Aber auch hier gibt es natürlich die gleiche Schieflage: Wer mehr verdient, hat mehr von diesem Pauschbetrag. Deswegen wäre es mindestens sinnvoll, das als Abzugsbetrag von der Steuerlast zu implementieren oder - das wäre noch besser - endlich ein Teilhabegeld einzuführen, wie wir Grünen das schon seit Langem fordern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also: Es gibt bessere Alternativen zu den Gesetzentwürfen, die vorliegen, und diese besseren Alternativen sind grün.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)