Rede | 20.12.2019

Rede zu einem Antrag der AFD zu Wohnungsnot und Obdachlosigkeit

Protokoll der Rede im Deutschen Bundestag vom 20.12.2019

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Rede eben, die gezeigt hat: So muss man mit Menschen umgehen.

(Marc Bernhard (AfD): Sie zeigen uns ja jeden Tag, wie Sie mit Menschen umgehen!)

Die AfD hat mal wieder gezeigt, wie man das nicht macht. Artikel 1 des Grundgesetzes heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Sie haben den Artikel 1 mal wieder mit Füßen getreten, 
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) 
und zwar auf übelste Art und Weise. 
(Marc Bernhard (AfD): Ihr Oberbürgermeister hat uns doch gesagt, was die Rechtslage in Deutschland ist! Diskriminierung! Rassismus gegen all die Menschen! Das ist es!)
- Jetzt fangen die ruhigen Tage an, Tage der Besinnlichkeit. Beruhigen Sie sich. Kommen Sie ein bisschen zur Besinnung. 
(Marc Bernhard (AfD): Ja! Morgen dann!) 

Wir haben hier einen Antrag, in dem die AfD argumentiert, dass in Deutschland zu viele Menschen leben und wir deswegen Wohnungsnot oder sogar Obdachlosigkeit hätten. Albert Einstein wird zugeschrieben, dass er gesagt haben soll: Auf jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Antwort, und die ist falsch. - Die Antwort, die die AfD auf alle Probleme hat, ist Migration. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Migration ist die Ursache aller Probleme. 
(Enrico Komning (AfD): Nein! Ihre Politik ist falsch!) 
Diese Antwort ist gerade bei der Wohnungsnot falsch, eindeutig falsch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) 

Der Kollege Seif hat vorhin schon beschrieben, dass die Ursachen vielfältig sind, ganz vielfältig. Es liegt an der Privatisierung der letzten Jahrzehnte, es liegt daran, dass es Wanderungsbewegungen innerhalb Deutschlands gibt, vom Land in die Stadt, es liegt daran, dass viele bei mir im Rhein-Main-Gebiet Wohnungsmieten zahlen können, Bodenpreise bezahlen können, die enorm hoch sind. Wer also über Wohnungsnot redet, muss auch über Reichtum in diesem Land reden. All das sind ganz vielfältige Ursachen für die Schwierigkeiten, die wir auf dem Wohnungsmarkt haben. 

Die Migration ist es nicht. Im Gegenteil: Migration macht unser Land reicher, ökonomisch und auch gesellschaftlich reicher. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Zaklin Nastic (DIE LINKE) 

- Beatrix von Storch (AfD): Bunter!) 
Wenn Sie argumentieren, dass wir hier in Deutschland zu viele Menschen haben, wie passt das eigentlich zu Ihrer Forderung, die Sie ja manchmal erheben, dass wir die Geburtenrate steigern sollen? 
(Gabriele Katzmarek (SPD): Genau!) 

Ganz abgesehen davon, wie wir das politisch machen sollten, heißt das ja: Sie wollen mit der Steigerung der Geburtenrate die Bevölkerungszahl erhöhen. Damit würde man ja in Ihrer verqueren Logik dann auch die Wohnungsnot erhöhen. Das ist ja völliger Unsinn. Das macht aber deutlich: Ihnen geht es gar nicht darum, dass wir hier zu viele sind, sondern Ihnen geht es darum, wer hier ist. 
(Marc Bernhard (AfD): Nein!) 

Damit unterteilen Sie Menschen in unterschiedliche Kategorien. Es gibt gute Menschen, es gibt schlechte Menschen. Das war eine Denke, die hatten wir in den 30er- und 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Da dürfen wir nie wieder hin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Enrico Komning (AfD): Genau! Richtig!)

Der Antrag, den Sie hier gestellt haben, ist schlicht und einfach rassistisch, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Widerspruch bei der AfD) 
weil Sie die Menschen in unterschiedliche Kategorien stecken. Es gibt gute Menschen, die hier leben, und es gibt schlechte Menschen. Es sind diejenigen aus anderen Ländern, aus dem Süden dieses Kontinents, aus Afrika, Araber, die Sie als Untermenschen kategorisieren, 
(Marc Bernhard (AfD): Das machen Sie doch! Das ist doch Ihre Politik!) 
die für Sie weniger wert sind als die Menschen, die hier geboren sind. 
(Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP)) 

Das ist das Problem, das Sie haben. Sie haben einen rassistischen Antrag gestellt, und das kurz vor Weihnachten. Das ist schäbig.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - 
Marc Bernhard (AfD): Genau andersrum!)

Ich will die Gelegenheit aber noch mal nutzen, um Ihnen allen frohe Weihnachten zu wünschen, Besinnlichkeit, Zeit, um noch mal nachzudenken. Kommen Sie noch mal zur Ruhe.
(Enrico Komning (AfD): Kommen Sie doch mal zur Ruhe!)
Weihnachten ist das Fest der Liebe.

(Dr. Alexander Gauland (AfD): Das fehlt mir gerade noch! Sie hetzen, und wir sollen zur Ruhe kommen!)
- Sie hetzen, Herr Gauland!
(Dr. Alexander Gauland (AfD): Sie hetzen!)
- Sie hetzen die ganze Zeit!
(Dr. Alexander Gauland (AfD): Sie sind ein übler Hetzer!)
- Sie sind eine Gefahr für diese Gesellschaft!
(Dr. Alexander Gauland (AfD): Sie spalten!)
- Sie spalten!

Vizepräsidentin Petra Pau: So.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist das, was Sie machen.
Vizepräsidentin Petra Pau: Ein Hinweis, Herr Strengmann-Kuhn: Sie müssen zum Schluss kommen.

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich rede gerade über Liebe. - Ich wünsche uns allen viel Liebe.
(Dr. Alexander Gauland (AfD): Ihnen nicht!)
- Ihr Schrei ist nur ein Schrei nach Liebe, Herr Gauland.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
In dem Sinne wünsche ich Ihnen frohe Weihnachten - auch Ihnen, Herr Gauland.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN 
-Dr. Alexander Gauland (AfD): Ja, ja! Ihre Liebe brauche ich nicht zu Weihnachten!)